Erste Woche
Heute ist Sonntag, unser freier Tag und ich habe nun tatsächlich etwas Zeit, die letzte Woche im Anand Prakash Yoga Ashram zu reflektieren und euch etwas an meiner „Akhanda Yoga Lehrer Ausbildung“ teilhaben zu lassen, während ich in einem netten Café am Ganges in Rishikesh sitze.
„Akhanda Yoga“ steht für ganzheitliches Yoga (Akhanda = ganz) und wurde von dem Yogi Vishvketu entwickelt und wird hier, im Anand Prakash Ashram, an seine Schüler weitergegeben.
Ich selbst durfte Visvketu’s Yoga Stunden im letzten Jahr für einige Tage erleben und fühlte mich sofort angesprochen von seiner holistischen Herangehensweise in seinen Yoga Stunden. Hier werden verschiedenste traditionelle Yogaformen und deren Elemente wie Atmung, Körperübungen, Mantra, Meditation und Energien mit dem psychologischen Aspekt des Yogas zu etwas Vollkommenen kombiniert.
Sozusagen weg von den Asanas als belanglose Körperübungen und hin zu uns „Selbst“.
Als ich feststellte, dass mein Herbst ziemlich frei ist und Vishvektu in der gleichen Zeit eine fortgeschrittene Yogalehrerausbildung anbot, brauchte ich nicht sehr lang, um mich für den Kurs zu entscheiden obwohl ich gleichzeitig großen Respekt vor dieser Verpflichtung hatte, schließlich kommt mit dem intensiven Kurs auch ein striktes Ashram Leben für 6 Wochen einher!
Die Wochen vor dem Ashram verbrachte ich damit, die empfohlenen Bücher zu besorgen und zu lesen, mir weiße Kleidung schneidern zu lassen (Kursteilnehmer tragen hier nur weiß, denn die Farbe Weiß wirkt klärend, reinigend und ordnet die Gedanken.)
Letzten Samstag erreichte ich dann den Ashram am frühen Morgen und traf auf die 26 anderen Kursteilnehmer, die alle schon einen Tag früher aus Delhi angekommen waren.
Das Wochenende blieb mir, um mich an den geregelten Ashramalltag zu gewöhnen, den ich ja schon etwas aus meinem Besuch im letzten Jahr kannte:
5:20 Uhr Meditation
6:00 Uhr Yoga
8:00 Uhr Feuerzeremonie
8.30 Uhr Frühstück
9.15 Uhr Karma Yoga (Sonntags)
12:30 Uhr Mittagessen
16:00 Uhr Yoga
18:00 Uhr Abendessen
19:00 Uhr Khirtan, Satsang oder frei
Außerdem lernte ich meine sehr nette und lebensfrohe Zimmergenossin Elisabeth aus England kennen.
Im Laufe der letzten Woche stellte ich schnell fest wie unkompliziert sie war und schloss sie sofort in mein Herz. Ich hätte mir keine bessere Partnerin für die nächsten 6 Wochen wünschen können! Schon jetzt sind wir wie Schwestern.
Am Montag begann dann auch der Kurs und der Tagesablauf wurde auch gleich noch einmal etwas straffer mit jeweils je zwei Einheiten Unterricht an den Vor- und Nachmittagen. Der Unterricht gliedert sich in die Themen: Philosophie, Methodik, Technik/Praktikum und Anatomie und wird von insgesamt drei sehr erfahrenen westlichen Lehrerinnen und Vishwa ji („Vishwa“ ist die Kurzform von Vishvketu und „ji“ zeigt Respekt) geleitet.
Ich freute mich darauf, dass es endlich los ging und war voller Erwartungen. Gleichzeitig hatte ich aber auch noch damit zu tun, mich an das Ashramleben zu gewöhnen und mich mit dem Gedanken anzufreunden, dass ich hier nun für 6 Wochen (!!!) wohnen sollte.
Doch viel Zeit zum Nachdenken blieb eh nicht, denn wir hatten ein volles Programm.
Vishva ji’s Yoga Stunden am Morgen waren intensiv und bildeten das tägliche Fundament für die weiteren aufbauenden Stunden und das Thema des Unterrichts begleitete uns durch den ganzen Tag (z. B. Vollmond, Sonnengruß, Licht, Ujay-Atem, Achtsamkeit)
Unsere Themen in Philosophie waren vielseitig. Wir behandelten die Vedas, redeten über Mantra und Meditation, reflektierten unsere Samskaras (Prägungen) und diskutierten die ein oder andere Sloka aus Patanjali Yoga Sutras.
Dieser Kurs war ein Aufbau Kurs und es wurde weniger Zeit auf die Informationszugabe verwendet, als vielmehr darauf, die Yoga Philosophie auf unser tägliches Leben zu beziehen und damit emotional und gedanklich zu arbeiten. Für mich eine sehr wertvolle Herangehensweise. Dennoch war ich besonders in den ersten Stunden leicht nervös, da wir die Stunden in einer offenen Diskussion führten- in Englisch! Die meisten der 27 Teilnehmer sind englischsprachig und es kostete mich hin und wieder etwas Mut, zur Konversation beizutragen, auch weil alle 27 Teilnehmer selbst sehr erfahrene Yogalehrer sind.
Doch diese kleinen Hemmungen stellten sich schnell als unbegründet heraus. Nicht nur, das dieser Kurs eine sehr gute Energie hat und wirklich alle Schüler unglaublich nett sind, sondern auch weil ich mich durchaus auch in Englisch ausdrücken kann. Niemand wird hier zudem zu irgendetwas gezwungen.
Besonders der Technik und Methodik Unterricht mit Vishwa ji und seiner Co-Lehrerin Eila Devi ist für mich sehr bereichernd. In der letzten Woche lernte ich viel über richtige Atmung, Assistenz im Unterricht, Unterrichtsgestaltung und übte in Partnerarbeit das gegenseitige Unterrichten und korrigieren.
Meistens sind die Unterrichtsstunden sehr lehrreich und wertvoll. Hin und wieder gibt es natürlich auch Wiederholungen aus meinen vorherigen Kursen.
Das wertvollste bisher für mich hier im Ashram, ist tatsächlich die Erfahrung eines Yogi- Lebens in einem Ashram. Ich genieße die Regelmäßigkeit des Tagesablaufes. Das frühe Aufstehen und der Start in den Tag mit Meditation und Yoga tut mir unglaublich gut und fällt mir nicht schwer. Das morgendliche Feuerritual am Havan ist für mich wie eine tägliche innerliche Reinigung und während der halben Stunde sinke ich tief in die vedischen Mantren, die wir zusammen sinken. Erst heute durfte ich auf der linken Seite von Vishwa ji am Havan (Feuerplatz) sitzen und am Ritual aktiv teilhaben, führte die ritualen Schritte aus und gab Opfergaben in das Feuer. Schon nach nur einer Woche, habe ich die Gebete und Mantren verinnerlicht und sie bereiten mir große Freude.
Die morgendliche dreistündige Praxis (Meditation, Yoga, Feuerzeremonie) tut mir unglaublich gut und ist ein toller Start in den Tag. Ich merke wie ich ruhig und zufrieden bin und diese Eigenschaften auch ausstrahle. Mit jedem Tag wir mein Lächeln auf dem Gesicht größer:).
Nach so einem intensiven Morgen freue ich mich natürlich ganz besonders auf das Frühstück. Dieses wird im Speisesaal eingenommen und ist sehr sattvisch (gesund für Körper, Geist und Seele, rein, harmonisierend und leicht) und besteht aus Datteln, Kräutertee und Obst. dazu gibt es dann ein täglich wechselndes Gericht, wie Haferbrei, Grieß, Parantha (indische Fladen) oder Poha (flacher Reise).
Auch die anderen beiden Mahlzeiten sind sehr leicht, gesund und indisch. Sattvische Gerichte werden ohne Zwiebeln, Knoblauch und vielen Gewürzen zubereitet (um den Körper und Geist ruhig zu halten) und auch an Salz fehlt es hin und wieder). Bestimmt ist das Essen hier nicht das Spannendste, aber es ist nährend, passt zu unserem Leben hier und schmecken tut es auch. Ich musste mich und meinen Körper vor allem erst einmal an die Portionsgröße anpassen.
Nicht, dass wir nicht genügend bekommen würden, aber alle anderen um mich herum essen wie Spatzen und der Organismus braucht bei unserem sehr ruhigen Ashramleben tatsächlich nicht viel. Schließlich soll der Magen ja nur 2/3 gefüllt sein. Am Anfang der Woche, fiel mir das tatsächlich schwer und ich litt permanent Hunger. Nun habe ich mich aber an die Portionsgröße gewöhnt und lehne sogar Nachschlag hin und wieder ab :).
Übrigens haben wir zweimal die Woche Küchendienst und helfen beim Servieren- eine Art Karma Yoga. Vor der Mahlzeit wird ein Mantra gechantet. Das Frühstück wird immer schweigend eingenommen und auch das Abendessend dreimal die Woche.
Jeden Abend beginnt das Schweigen (Maun) am Abend um 21. Uhr und endet am nächsten Morgen um 9 Uhr.
Zweimal in der Woche haben wir am Abend Khirtan, das singen von Mantren und hinduistischen Liedern. Oh, ich glaube diese Form des Bakhti Yogas (Des Herzens und der Hingabe) ist wie für mich geschaffen. Während wir gemeinschaftlich im Kreis sitzen, musizieren, singen und auch tanzen fühle ich mich unglaublich frei und glücklich und während ich vor dem Khirtan am Abend eher sehr müde bin, pulsiert danach eine unglaubliche Energie in mir.
Außerdem bietet Vishwa ji immer mittwochs einen Satsang an, ein Gespräch mit ihm, während dessen wir ihm Fragen stellen können.
Zwei, drei Mal hatten wir diese Woche sogar einen Ausflug. Wir wanderten zum Ufer des Ganges und picknickten dort, hatten eine Unterrichtseinheit im Freien und trafen den großen Yogi Sri Shri Ravi Shankar bei einer privaten Audienz mit anschließenden Khirtan und Satsang.
In dieser Woche habe ich den Prozess der Umstellung von meinem alten Leben in das neue Leben im Ashram abgeschlossen, durfte meine Kursteilnehmer näher kennen und schon jetzt schätzen und mögen lernen, sowie mich an das Kursprogramm gewöhnen.
Ich fühle mich hier sehr wohl, glücklich und bin dankbar für diese wertvollen Erfahrungen die ich hier schon in der ersten Woche machen durfte und für all das neue Wissen, das ich täglich gewinne.
Ich bin gespannt auf die nächste Woche, die bestimmt, darf man den Lehrern glauben, noch etwas intensiver wird!
Hari Om