Schon mehr als 2 Stunden fährt der Bus über die fast schnurgerade Straße durch die flimmernde Hitze der rajasthanischen Sonne. Ich sitze eingeklemmt zwischen einem älteren Herrn mit einer Ziege auf dem Schoß und einer jungen Frau im pinkfarbenen rajasthanischen Gewand und einem langen dunklen Pferdeschwanz, der ebenso wie ihr Gesicht von einem dünnen Tuch bedeckt ist. Meine Füße stehen auf Säcken gefüllt mit Getreide. Wenigstens habe ich einen Sitzplatz. Der Schweiß läuft mir den Rücken hinab und immer wieder wische ich mir mit meinem Schal über das Gesicht. Wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich nichts als Sand, ab und zu einmal ein paar Sträucher, dann Ziegenherden, ein Kamel.
Dann wieder nichts als Sand. Wir sind inmitten in der rajasthanischen Wüste Tharr. Hin und wieder gelangen wir in eine kleine Ortschaft. Dann kommt der alte Bus ruckelnd zum Stehen. Alte Fahrgäste steigen aus, neue kommen dazu und Verkäufer bieten durch die Fenster ihre Waren an. Ich ergattere eine Flasche Wasser und genieße wie die kühle Flüssigkeit meine Kehle hinunterfließt.
Der nächste Stopp ist meiner. Zweieinhalb Stunden von Jodhpur. Der Bus hält vor einem gemauerten Tor und ich steige aus.
Zeitsprung: 3 Tage weiter.
Es ist noch dunkel, als ich um 5:30 über das Ashramgelände zur Yoga Terrasse laufe. Meine indischen Schüler warten schon auf mich auf ihren Yoga-Matten.
Ich begrüße sie mit einem Namaste und beginne mit dem Shanti Mantra um die morgendliche Yogastunde einzuleiten. Die folgenden neunzig Minuten stolpere ich durch mein gebrochenes Hindi. Doch meine Schüler machen eifrig mit und sind dankbar für die angeleitete Yogastunde. Mit den ersten Sonnengrüßen kommt dann auch tatsächlich der rote Sonnenball zum Vorschein. Ein neuer Tag ist eingeläutet und schon jetzt kündigen die ersten wärmenden Sonnenstrahlen einen weiteren warmen Tag an.
Die Stunde schließt mit einer Entspannung in Shavasana. Dann begebe ich mich Richtung Speisesaal. Es ist Zeit für das Frühstück. Auf dem Weg begegne ich Ritu, die ganz meditativ Besenstrich für Besenstrich den Hof fegt. Sie hebt den Kopf und begrüßt mich mit einem Nicken, dann versinkt sie wieder in ihre Karma-Yoga-Arbeit.
Im Speisesaal setzte ich mich auf ein Kissen, vor mir ein kleiner niedriger Tisch mit einem runden Metallteller, den die eifrigen Küchenhelfer zügig mit frischem Obst, Jogurt und einem Getreidebrei füllen. Zusammen mit den anderen Ashrambewohnern führe ich meine Hände vor der Brust zusammen, schließe meine Augen und wir singen zusammen das Bujan-Mantra aus Dankbarkeit für die Speisen vor uns. Dann beginnen wir mit der Mahlzeit.
Zu meiner linken sitzt Guru Ji leicht erhöht auf einem Sitzkissen und im orangenen Gewand. Er befragt mich zu meiner Yoga-Stunde und hört interessiert zu, wie sich seine Yogaschüler so machen. Dann berichtet er mir, dass in drei Tagen hier im Ashramgelände ein großes Fest zum Abschluss des Navatrifestivals stattfinden wird, zu dem mehr als zehntausend Pilger kommen werden und der Jasnath-Orden seine berühmten Feuertänze und heiligen Gesänge aufführen werden.
Ich freue mich schon auf das Fest und kann mir noch gar nicht so viele Menschen hier vorstellen. Momentan wohnen hier in dem Ashram vielleicht um die 20 Ashrambewohner, die hier ihre Seva Arbeit (spiritualer Dienst) als Karma-Yogis permanent oder auf temporärer Basis verrichten.
Guru Ji ist das Oberhaupt des Ahrams und spiritueller Führer der kleinen rajasthanischen Jasnath-Gemeinde mit hinduistischen Traditionen.
Jeder ist hier willkommen um für ein paar Tage, Wochen oder gar Monate zu leben, zu arbeiten und an dem geregelten Tagesablauf bestehend aus Yogastunden, Karma-Yoga und Abendzeremonien teilzunehmen. Ich selbst werde dieses Mal einen guten Monat bleiben. Mein Yogaweg hat mich schon oft hierher zum kleinen Shri Jasnath Ashram geführt. Der ruhige und geregelte Alltag, die kraftvolle Atmosphäre des Ortes, gesundes vollwertiges Essen und die freundlichen Menschen tragen dazu bei, dass ich mich hier wieder sammeln kann und zu neuen Kräften komme.
Nach dem Frühstück mache ich mich auch gleich an eine meiner liebsten Karma-Yoga-Arbeiten: Die gemeinsame Zubereitung des Mittagessen. Dafür begleite ich Pappu, den Koch, zunächst in das angrenzende Nachbarhaus. Hier sorgt Nita um das Wohlergehen der fünf stattlichen Ashramkühe, die die Ashramgemeinde großzügig mit Milch versorgen.
Aus der Milch werden allerlei nützliche und leckere Produkte von Nita hergestellt und Pappu und ich kommen um frischen Jogurt zu holen.
Das geht natürlich nicht, ohne einen kleinen Zwischenstopp mit leckerem Masala Chai (Gewürztee) und einem kleinen Schwatz. Dann ziehen wir weiter zu Ranu in den Garten.
Ranu ist pensionierter Soldat und kümmert sich nun leidenschaftlich um den organischen Ashramgarten. Stolz präsentiert er mir und Pappu auf einem kleinen Rundgang seine gedeihenden Auberginen, Bohnen, Tomaten, Kürbisse und, und, und.
Ein großer Eimer mit frisch geernteten Okraschoten steht schon bereit für uns zum mitnehmen.
Zurück in der Ashramküche setzte ich mich zu einer Gruppe Frauen, die schon fleißig dabei ist Zwiebeln zu schneiden. Ich selbst greife mir die Okraschoten und fange mit dem Schnippeln an. Wir sind eine lustige Gruppe. Die indischen Frauen freuen sich über meine Gesellschaft und sind mindestens genauso sehr an mich interessiert wie ich an ihnen.
In Hindi bringen wir ein lustiges Gespräch in Gang. Sie alle sind verwundert, dass ich mit siebenundzwanzig noch immer nicht verheiratet bin, ich selbst frage sie über ihr Leben als rajasthanische Ehefrau aus, wundere mich über ihre permanente Kopfbedeckung und lerne fleißig Hindi dabei.
Nach einer leckeren Mittagsmahlzeit bestehend aus den frischen Okra, Hirsebrot, gelben Linsen, Salat und Jogurt heißt es erst einmal Mittagsruhe.
In Rajasthan ist es eh schon heiß, aber jetzt um die Mittagszeit ist die Hitze fast unerträglich.
Auf dem Weg zu meinem Zimmer, komme ich an der „Ayurveda-Oase“ vorbei. Das neu errichtete kleine Häuschen mitten auf dem Ashramgelände gleicht tatsächlich einer Oase. Drinnen ist es angenehm kühl, es duftet nach aromatischen Kräutern und im Hintergrund erklingt ganz sanfte Musik.
Ranu, ein Mitarbeiter, ist gerade dabei weiße Leinentücher zu falten und Nani, eine ältere Frau und unsere gute Seele im Ashram, bereitet mit einem großen schweren Stein eine Paste aus Kräutern und Gewürzen in der kleinen Küche zu. Hmmm, daher also der angenehme Duft.
Ich werde zu einem ayurvedischen Kräutertee, entsprechend meinen Dosha, eingeladen und bespreche derweil mit Dr. Shrejan, dem örtlichen Ayurveda Doktor, meine Behandlungen für die nächsten Tage. Neben Abhyanga, einer Ganzkörpermassage, möchte ich auch unbedingt eine Gesichtsbehandlung, auf die sich Shree, die Ayurveda-Oasen Leiterin, spezialisiert hat. Momentan bildet sie zwei Mädchen aus den umliegenden Dörfern als Therapeuten aus. Das ist Glück für mich, den die Mädels brauchen Übung und so bekomme ich gleich eine spontane kostenlose Fußmasssage. Vollkommen entspannt vereinbare ich gleich noch einen weiteren Termin für einen Shirodhara, einen Öl-Stirnguss… Warum nicht, dafür stelle ich meinen Körper gern zur Verfügung.
Nun begebe ich mich für eine kurze Ruhe in mein Zimmer. Ein bisschen döse ich vor mich hin. Doch zu viel Zeit zum Schlafen bleibt mir nicht. Am Nachmittag werde ich eine kleine Gruppe der festen Ashrambewohner in Englisch unterrichten. Im Ashram finden regelmäßige Yoga- und Ayurveda-Gruppenretreats mit internationalen Gästen statt und den Bewohnern soll der Kontakt mit ihnen durch ein Sprachtraining erleichtert werden.
Der Unterricht in der kleinen Gruppe macht Spaß. Die Schüler sind motiviert und ich lerne wieder mindestens genauso viel von ihnen wie sie von mir.
Mittlerweile ist es 17 Uhr und die heißeste Zeit des Tages vorbei. Mit den Kindern aus den umliegenden Häusern des Dorfes bin ich im Ashramgarten für eine Kinder-Yoga-Stunde verabredet. In den Tagen davor haben wir einen Yoga-Mandala Tanz eingeübt, den sie mir heute präsentieren. Außerdem spielen wir Yoga-Memorie, machen den Kindersonnengruß und schließen die Stunde mit etwas Partner-Yoga ab.
Dann ist auch schon wieder Essenszeit. Da es nun so wunderbar angenehm draußen ist, beschließen wir, die Mahlzeit in den Garten zu verlegen.
Langsam geht die Sonne unter und aus dem Tempelkomplex hören wir schon die ersten Trommelschläge. Es ist Zeit für die abendliche Feuerzeremonie. Wir sammeln uns alle im Tempel und während der Priester seine Rituale vollführt, sitzen wir mit unseren Instrumenten, chanten Mantras und singen Khirtans. Es ist ein schönes Ritual und am Ende der Zeremonie bleibe ich für einige Minuten im Tempel für eine kleine Meditation zurück.
Anschießend treffen wir uns mit Guru Ji für einen kleinen Satsang im Garten. Wir unterhalten uns über Yoga, den Ashram und die Welt. Es wird ein schöner Austausch mit einigen Aha-Momenten.
Dann geht es für einen erholsamen Schlaf ins Bett. Denn der nächste Tag beginnt wieder früh.
Zu unseren Retreats im Shri Jasnath Ashram geht es hier.