Das Erste Internationale Mountainbike Rennen in den Nordoststaaten Indiens
Arunachal Pradesh bedeutet wörtlich übersetzt „ Land der Berge in der Morgenröte“. Tatsächlich beginnt der Tag in dem weit östlich gelegenen indischen Himalaya Staat sehr früh. Bereits gegen fünf Uhr morgens werden die umliegenden grünbewaldeten Hänge in ein sanftes Licht getaucht – vorausgesetzt die saftig grünen Berge sind nicht in wolkige Nebelschleier gehüllt. Schließlich ist Arunachal Pradesh einer der regenreichsten Staaten Indiens.
Entsprechend früh geht hier die Sonne jedoch auch unter. Nach 17 Uhr ist es bereits stockdunkel und spätestens um diese Uhrzeit sollte man das jeweilige Etappenziel bei dem siebentägigen Mountainbike Rennen erreicht haben. Nicht selten war das bei Etappenlängen von über 120 km Länge und einigen 1000 Höhenmetern gar nicht so einfach. Dazu später mehr.
Arunachal ist mit einer Fläche von 84000 km² der drittkleinste Staat in Indien und mit 17 Einwohnern pro km² der am dünnsten besiedelte. Trotz der geringen Größe des touristisch noch wenig erschlossenen Staates, sind die Wege durch die Bergregion lang. Da die Straßen zum Teil sehr schlecht ausgebaut sind, benötigt man selbst mit einem Fahrzeug für nur wenige 100 Kilometer oft mehrere Tage. Allein die An- und Abreise zum Rennen ist also schon recht zeitintensiv.
Arunachal ist der nördlichste Staat der sogenannten 7 Schwestern der Nordoststaaten. Wer sich mit der indischen Landkarte ein bisschen besser auskennt, der weiß, dass am nordöstlichsten Ende von Indien, hinter Bangladesh, ein kleiner Landzipfel hängt. Hier befinden sich die Nordoststaaten. Die Menschen leben hier in Stämmen. Mehr als 26 verschiedene gibt es und sie alle haben unterschiedliche Traditionen, Bräuche, Kleidung und Sprachen. Wahrscheinlich ist dieser kulturelle Aspekt des Landes, der am Interessanteste.
Bekannte Nordoststaaten auch für Touristen sind z.B. Sikkim und Assam. Andere, wie Mizoram und Tripura, sind wegen militärisch-politischer Gruppen und krimineller Banden recht unsicher. Für die übrigen wiederum benötigen ausländische Touristen einen sogenannten „ Protected Area Permit“, ohne diesen ist die Einreise nicht gestattet, da hier die Staatsgrenze zu China/Tibet verläuft.
Die Nordoststaaten sind selbst für indische Verhältnisse noch sehr exotisch. Da Arunachal Pradesh touristisch so gut wie gar nicht erschlossen ist, sind Reisen in diese Region sehr kosten- und planungsintensiv. Schon allein die Einreiseerlaubnis zu bekommen, muss erst einmal organisiert werden. Umso glücklicher war ich nun, dass ich durch die Teilnahme an diesem Mountainbike Rennen MTB Arunachal nicht nur die Chance hatte, meinen ersten Nordoststaat zu bereisen, sondern es auch noch in einer ganz besonderen Form und bestens organisiert tun zu dürfen.
Sportlich gesehen war dieses siebentägige MTB Arunachal Rennen für mich das mit Abstand am wenigsten erfolgreichste Rennen an dem ich bisher teilgenommen habe. Nicht nur, dass ich es nicht auf das Treppchen geschafft habe, nein aufgrund von langen Tagesetappen mit kurzen Zeitfenstern und einigen Reifenpannen, konnte ich sogar zwei der 6 Etappen nicht einmal abschließen.
Wie jedes Fahrradrennen in Indien, ist auch dieses etwas ganz Besonderes: Tolle Routen, interessante Teilnehmer, kulturelle Rahmenprogramme, grandiose Stationen, faszinierende Landschaften, gutes Essen und die so typische indische Organisation. Allzu oft sieht es bei letzterer meistens so aus, als wenn alles schief geht, tatsächlich sind am Ende dann doch irgendwie alle zufrieden.
Ja, auch das MTB Arunachal war so ein Event und gleichzeitig noch so viel mehr.
Selten habe ich auf einer Fahrradtour so einen tiefen Einblick in das Leben der Menschen bekommen, da wir teilweise in Camps und Hotels, aber auch privat, also ganz dicht dran, untergebracht wurden.
Tag 1 Anreise von Delhi nach Dibrugahr und weiter nach Mechuka
Um nach Arunachal zu gelangen muss man erst einmal nach Assam. Der nächstgelegene Flughafen von Mechuka, dem Startpunkt des Rennens im nördlichen Arunachal, nahe der tibetischen Grenze, ist Dibrugahr. Ein Flug von Delhi nach Dibrugahr ist unkompliziert, kostengünstig und etwa 3 Stunden lang.
Während andere Teilnehmer sich schon Tage zuvor auf die lange Reise bis nach Mechuka machten, startete ich aus Delhi erst am Tag vor Rennbeginn, dadurch war ich von den 70 Teilnehmern eine der letzten die Dibrugahr erreichten. Die Reise von Dibrugahr mit dem Auto dauert bis nach Mechuka zwei volle Tage. Glücklicherweise wurde einigen Rennteilnehmern ein Helikopter zur Verfügung gestellt, der uns Nachzügler innerhalb nur einer Stunde nach Mechuka transportieren würde- eine entsprechende Wetterlage vorausgesetzt. In Arunachal regnet es viel. Sehr viel. Und natürlich auch an dem Tag unserer Anreise. Zwar konnte der Helikopter starten, doch auf halber Strecke nach ca. 300 km war Schluss, weiter hinein in die Berge und die dicke Wolkenschicht ging es nicht.
So wurden wir – das Team aus Nepal, einige Top Fahrer aus Indien, eine Teilnehmerin aus Tschechin und ich – kurzerhand in Taxis verfrachtet. Auf dieser 300 Kilometer langen Fahrt über Nacht, die mehr als 16 Stunden dauern sollte, bekamen wir einen ersten Einblick von der Unendlichkeit dieses Landes und den unglaublich schlecht ausgebauten Straßen hier. Obwohl wir auf den Highways unterwegs waren, glichen diese Schotterpisten oft eher kleineren Waldwegen. Der ein oder andere Erdrutsch, bedingt durch den Regen, trug ein weiteres zum schlechten Straßenbild bei. Wir waren die ganze Nacht unterwegs, an Schlaf und den morgigen Renntag war kaum zu denken.
Trotzallem erreichten wir Mechuka pünktlich zum Beginn des Rennens am nächsten Morgen.
Doch ein Teil der Fahrräder war längst noch nicht eingetroffen und so wurde von der Rennorganisation kurzerhand entschieden, die erste Etappe als „Joyride“ und ohne Wertung zu gestalten.
Tag 2 Joyride nach Tado Gitu 80 km
Mechuka war auf über 2000 Meter gelegen und die Steppenlandschaft inmitten der Bergwelt hatte in der Tat etwas Magisches.
Ich war zwar hundemüde von der Nachtfahrt, aber irgendwie auch seltsam aufgekratzt und wollte mir die erste Tagesetappe auf keinen Fall entgehen lassen. Dass der heutige Tag nicht gewertet werden würde, war mir nach der langen Anreise natürlich recht.
In weniger als einer Stunde schaffte ich es mich umzuziehen, mein Fahrrad, dass ich schon Tage zuvor geschickt hatte, zufinden und zu Frühstücken. Ich war bereit für die erste Etappe, die uns genau in die gleiche Richtung schicken würde, aus der wir gerade zuvor mit dem Taxi gekommen waren.
Doch mit dem Fahrrad wirkt die Landschaft ja doch noch einmal ganz anders und so genoss ich die leichte 70 km lange Etappe, die doch die meiste Zeit bergab führte.
Ich winkte juchzenden Kindern zu, umfuhr Schweine, Enten, Hunde, Ziegen (selten hatte ich eine solche Vielzahl von Haustieren auf der Straße erlebt). Während die Kühe hier recht klein und friedlich zu sein schienen, flößten mir die sogenannten „Mithuns“ (Bisons) mit ihren Hörnern deutlich mehr Respekt ein.
Aufgrund des Regens der vorangegangenen Nacht, wurde die Fahrt hinab nach Tado Gitu zu einer wahren Schlammschlacht. Er war einfach überall und die Entscheidung, die schlammbespritzte Brille abzusetzen um etwas zu sehen oder den Schlamm direkt in die Augen zu bekommen, war keine leichte. Irgendwann setzte dann auch wieder der Regen ein und wenigstens der gröbste Schmutz wurde dadurch von Körper und Fahrrad entfernt. Gut, dass der Regen relativ warm war. Meine Bremsen quietschten, ich war glücklich wieder auf einem Fahrrad sitzen zu können und sang zwischen den kurzen Anstiegen, auf den langen Abfahrten vor mich hin. Ich genoss es, durch die Dörfer zu radeln, die doch so ganz anders waren, als die , die ich bisher aus anderen Regionen Indiens kannte. Alles wurde hier aus Bambus gebaut, selbst die Dächer waren mit den Zweigen bedeckt. Außerdem standen die Häuser leicht erhöht, wie auf einem Gerüst über den Boden. Wahrscheinlich wegen des Regens.
Wir trudelten alle relativ früh im Ziel ein und während die männlichen Teilnehmer in der örtlichen Schule übernachten würden, hatten wir Mädels das Vergnügen in ebenso einem Haus zu wohnen, das ich gerade beschrieben habe. Das Haus ist eigentlich nur ein Zimmer. In der Mitte ist eine Kochstelle und da herum wird gelebt, geschlafen und gewohnt. Die Waschgelegenheiten befinden sich außerhalb..
Hier waren wir wirklich mitten im Nirgendwo und während der Fahrradmechaniker meine abgenutzten Bremsbelege austauschte, ging ich mit den anderen auf Erkundungstour und besuchte den nahe gelegenen Yapic Wasserfall. Kein Wunder, dass die Wasserfälle hier so spektakulär sind! Bei dem Regen!
Den Abend ließen wir um ein kleines Lagerfeuer sitzend mit einem einheimischen Gericht, das in Bambusblättern (worin sonst) gegart wurde, ausklingen.
Natürlich schlief ich diese Nacht besonders gut.
Tag 3 Tado Gitu nach Aalo 110 km
Mit über 110 km hatten wir heute eine besonders lange Etappe vor uns, doch wieder ging zumeist bergab und auch der Rest ist flach. Der längste Anstieg ist gerade einmal 4 Kilometer lang. Wer mich kennt, der weiß, dass das also nicht unbedingt eine Etappe für mich ist. Meine Stärke sind die steileren Anstiege. Ich fahre gerne bergab, aber nicht während eines Rennens. Also ließ ich erst einmal alle vor mir und rollte in einem für mich sicherem Tempo hinter her. Bereits mit dem Start der Etappe begann auch der Regen wieder und wurde zunehmend immer heftiger. Irgendwann war es, als würden ganze Eimer über uns ausgeschüttet . Das Wasser war überall! Es kam von oben, unten und den Seiten in Form von großen Wasserfällen.
Ich fuhr durch eine teichähnliche Pfütze nach der anderen und mitunter wurde es richtig gefährlich, weil sie teilweise doch recht tief waren.
Stundenlang fuhr ich allein durch den grünen Dschungel Arunachals und diesen Regenguss . Gerade als ich ernsthaft zweifelte, ob ich dieses Nass auch noch für die nächsten 60 km ertragen würde, klarte es ganz plötzlich auf. Auf einmal konnte ich mehr als nur 10 Meter weit sehen. Sogar der Wald hatte plötzlich ein Ende und die ersten Dörfer waren sichtbar.
Während der erste Teil der Strecke sehr einsam und auf sehr schlechter Straße zu meistern war, wurde die Straße nun breiter, hatte einen neuen Belag und wurde sogar flach! Endlich konnte auch ich einen Zahn zulegen und trat mit vollem Elan in die Pedale.
Es ging immer am Sipu Fluss entlang, hin und wieder durchquerte ich kleinere und größere Dörfer, durch die zu fahren ich immer sehr genoss , da die Menschen hier sehr höflich und freundlich grüßten.
Nun nahm der Verkehr zwar etwas zu, hielt sich aber noch immer im Grenzen. Selbst die LKW Fahrer waren sehr rücksichtsvoll. Fuhren langsam und sogar zur Seite, um Platz zu machen. Dieses Verhalten kannte ich aus anderen Regionen Indiens bisher noch nicht.
Die letzten 50 km bis zu den Toren der etwas größeren Stadt Aalo waren schnell geschafft und ich rollte zufrieden, so eine schöne Fahrradetappe gehabt zu haben, in unser Resort direkt am Sipu Fluss ein. Nach einer heißen Dusche und einem Mittagessen besuchten wir eine Bambus – Hängebrücke an einem nahegelegenen Dorf. Einheimische Frauen trugen in ihren geflochtenen Körben Bananen und Bananenblätter auf ihren Rücken und die Kinder kamen in ihren Schuluniformen zurück von der Schule.
Es wurde natürlich recht bald dunkel und bei so einem Etappenrennen vergehen die Nachmittage eh schnell mit dem Waschen von Kleidung und Fahrrad, Siegerehrungen und Mahlzeiten.
Tag 4 Aalo nach Tai 78 km
Heute standen die Chancen eigentlich recht gut für mich: 78 km Länge und ein Großteil davon bergauf! Ich fühlte mich gut und war mit meine Leistung auf den steilen und langen Anstiegen auch sehr zufrieden. Trotzdem konnte ich die drei Mädels vor mir nicht einholen!
Der heute Tag war ziemlich heiß. Wir starteten auf knapp 500 Meter von Aalo und es war wolkenklar! Unterwegs musste ichextrem viel trinken und so stoppte ich an dem einen oder anderen Wasserfall, um meine Flasche nachzufüllen und nahm auch dankend das Angebot eines kleinen Jungen an, der meine Flasche auffüllte. Aufgrund des Regens herrscht in diesem Teil des Landes zumindest kein Wasserproblem und zudem ist es unbedenklich trinkbar.
Auf der letzten Abfahrt bekam ich dann tatsächlich auch noch eine Reifenpanne. Meine Chance, näher an die Mädels zu kommen, war also nun wirklich dahin. Stattdessen pumpte ich den halbleeren Schlauch noch einmal voll auf und schaffte es so gerade noch in das Ziel.
Unsere heutige Location in Tai versprach uns nicht nur eine tolle Aussicht auf die umliegende grüne Hügellandschaft, sondern auch neugierige Besuche der Einheimischen.
Tag 5 Tai nach Muri Mugli 120 km
Der heutige Tag sollte lang werden, gekrönt von mehreren Anstiegen. Diese waren zwar lang, aber relativ flach, dadurch genoss ich die Abfahrten deutlich mehr. Trotzdem war ich recht langsam unterwegs, was sicherlich auch auf mein etwas in die Jahre gekommenes Fahrrad zurückzuführen war. Besondern unschön war der Abschnitt in einem Tal am Fluss entlang. Hier war die Straße wieder durchlöchert und alle Einbuchtungen waren natürlich mit Regenwasser gefüllt. Auch die Fahrt durch die etwas größere Stadt, die wir durchquerten, war kein Vergnügen. Es war staubig, heiß und deutlich mehr verkehrsintensiver, als ich es von Arunachal bisher gewöhnt war. Hinzu kommt, dass es innerhalb der Ortschaften statt Straßen lediglich Sandwege gibt.
Bei den Straßen außerhalb handelt es sich tatsächlich um Highways und unterwegs las ich sogar auf einem Schild: „This is a Highway, Not a Runway“. Wie gut, daran erinnert zu werden, bei all den Schlaglöchern und Sandwegen! Die Veranstalter brauchten sich hier jedenfalls keine Gedanken zu machen, besonders raffinierte Trails und Strecken zu finden, der normale Highway tut es durchaus für ein ordentliches Mountainbike Rennen. Wenn es nicht durch Urwald oder Dörfer ging, tauchten immer wieder Armee-Camps auf, deren Soldaten uns lautstark anfeuerten. Die Etappe insgesamt war sehr lang und ich war froh, gerade rechtzeitig gegen 16:15 Uhr , noch vor Einbruch der Dunkelheit und vor der Zeitsperre, das Ziel zu erreichen.
Diesemal wurde ein Camp mit Zelten für uns errichtet und ich genoss die Camp-Atmosphäre, die mich sehr an das Hero MTB Himalaya Rennen erinnerte. Die Teilnehmer untereinander, obwohl Konkurrenten, verstanden sich sehr gut und die freundschaftliche Atmosphäre war sehr entspannt. Natürlich hatte ich aufgrund meiner verspäteten Zieleinfahrt deutlich weniger Zeit im Camp, als an den Tagen davor. Schade eigentlich, dachte ich,, als ich beim Abendessen die riesigen Schmetterlinge beobachtete, wie sie Richtung Lampen flatterten.
Tag 6 Muri Mugli nach Zero 130 km
Heute sollte der Tag werden, an dem ich zum ersten Mal aus einem Rennen ausscheiden würde.
Schon beim Sammeln zum Start wurde mir klar, dass ich heute gute Chancen haben würde, das Rennen nicht vor der Cutt-Off Time um 17 Uhr zu beenden, denn 130 km und davon 80 km bergan mit über 3000 Höhenmetern waren sehr lang und die Startzeit um Uhr war einfach zu spät für mich angesetzt.
Ich verbrachte den Tag auf dem Fahrrad um dem Zeitlimit hinterherzufahren. Es half auch nicht viel, als ich nach 80 km dann einen 40 km langen Anstieg mit 1500 Höhenmetern vor mir hatte. Es war immerhin schon 14 Uhr. Das würde ich nie schaffen.
Witziger weise sagte mir auch ein entgegenkommender einheimischer Motorradfahrer das gleiche mit dem einfachen Satz: „Ohhh, you are toooo late“. Tja, das wusste ich selbst. Aber dieser letzte Anstieg nahm und nahm auch kein Ende. Die Dämmerung brach an, es gab einen wunderschönen Sonnenuntergang und dann war es dunkel. Stockduster. Finster. Nichts außer die Sterne über mir gaben etwas Licht. Gerade erst war ich an den letzten Streckenposten vorbei, die meinten es seien nur noch 13 km und die Abfahrt nahe. Doch ich fuhr und fuhr und es ging und ging nicht bergab. Schließlich bemerkte ich, wie mein Hinterrad zu eiern anfing. Oh nein. Ich war hier vollkommen alleine und hatte nun schon wieder eine Reifenpanne. Unglücklicherweise hatte ich meine Luftpumpe tags zuvor im Camp verloren! Keine Taschenlampe, Keine Pumpe.. nur ich und die dunkle Straße. Ich fing zu schieben an. Ich hatte keine Angst. Fühlte mich aber einsam und die Straße fühlte sich unendlich an. Wie lange können denn 13 km nur sein? Mittlerweile war es schon deutlich nach 17 Uhr. Wollte mich denn keiner von den Organisatoren einsammeln?
Endlich. Ein Auto kam mir entgegen. Ich winkte und der Fahrer hielt. Ich fragte die jungen Leute nach dem Weg und überraschender Weise antworteten sie mir im fließenden Englisch. Es waren Studenten aus Itanagar, der Hauptstadt Assams, die ihr Dorf besuchen wollten. Noch 8 km seien es bis nach Zero und das meiste davon bergab. Wäre es noch hell und hätte ich keinen Platten, wären diese letzten Kilometer ein Katzensprung. Doch mit meinem platten Reifen und völlig im Dunkeln, sah die Situation ganz anders aus. Die netten Studenten wollten mich nicht allein lassen und bestanden darauf wieder umzukehren und mich und mein Fahrrad nach Zero zu bringen. Ich war so dankbar und gerührt von diesem freundlichen Angebot, welches ich dann doch nicht annehmen musste, denn nun kam endlich der Truck, der die letzten Fahrradfahrer einsammelte.
Gerettet. Ich war so froh, endlich aufgelesen worden zu sein.
Letzten Endes benötigte der Truck dann noch ziemlich lange, bis zum Camp, wo es das Abendessen geben sollte. Die Straße war einfach zu schlecht und die letzten Kilometer zogen sich noch einmal lange hin.
Zero liegt auf einer Höhe von 1800 m und dementsprechend niedrig waren die Temperaturen nun auch. Ich war erschöpft, müde und ausgekühlt.
Beim Abendessen statteten mich die anderen Rennteilnehmer mit warmer Kleidung aus und auch das wärmende Lagerfeuer und das gute Essen trugen zum erneuten Energieschub bei.
Selbst die Erstplatzierten benötigten für die heutige Etappe über 6 Stunden! Wie gut, dass wir alle morgen einen Ruhetag haben würden. Mein Fahrrad und ich – wir benötigten diesen auf jeden Fall!
Tag 7 Ruhetag in Zero
Für die zwei Nächte um den Ruhetag herum, wurden wir in einem luxuriösen Bungalow untergebracht – mit angeschlossenem Badezimmer und heißer Dusche!
Wir nutzen die Möglichkeit, unsere schmutzige und niemals ganz trocken gewordene Kleidung zu waschen. Ansonsten taten wir nicht viel, außer gemeinsam die wunderbare Landschaft des Apatani
Plateau Zero zu genießen. Hier wachsen sogar Kiwis!!
Der entspannte Ruhetag wurde gekrönt von einem festlichen Abendprogramm mit kulturellen Gesang- und Tanzeinlagen, sowie köstlichem einheimischen Essen! Schließlich war heute ja auch der berühmte indische Festtag Diwali!
Tag 8 Ziro nach Itanagar , 81 km und Weiterreise nach Guwahati
Nach dem Ruhetag freute ich mich schon wieder auf dem Fahrrad zu sitzen, zumal es heute fast ausschließlich bergab gehen würde- bis auf einen kleinen 10 Kilometer- Anstieg zwischen durch.
Ich fühlte mich gut und trat kraftvoll in die Pedale. Zwar war die Abfahrt deutlich zu lang für meinen persönlichen Geschmack, doch der kleine Anstieg zwischendurch tat gut.
Die Straße wurde Richtung Itanagar, der Hauptstadt Arunachals immer besser und die letzten 30 Kilometer führten über eine zweispurige gut ausgebaute Straße. Alles was ich jetzt noch zu tun hatte, war mich klein zu machen und hinab zu rollen- aber weit gefehlt!!!! Reifenpanne Nummer 3 passierte. Da stand ich also da, wieder ohne Reparatur Kit und Pumpe.
Als schließlich ein einheimischer Jeep auf mich zu rollte, hielt ich diesen spontan an und die netten Menschen, beförderten mein Fahrrad kurzerhand auf das Dach und mich zwischen zwei ältere Herren.
So wurde ich also auf der letzten Etappe in das Ziel gefahren. Nicht der beste Abschluss eines Rennens, aber wirklich schlecht fühlte ich mich auch nicht dabei. Die Situation war nun mal so wie sie war. Für das nächste Rennen würde ich mich selbst und mein Fahrrad einfach besser vorbereiten müssen.
Ich schloss mich einfach der guten Stimmung der erfolgreichen Rennteilnehmern an- selbst der einbeinige Para-Fahrradfahrer hatte es heute in das Ziel geschafft! Wir aßen Kiwis und Kuchen und begrüßten die eintrudelnden Mountainbiker.
Dann ging es die letzten Kilometer nach Itanagar für uns alle mit dem Auto direkt zur feierlichen Abschlusszeremonie.
Die Gewinner wurden geehrt, festliche Ansprachen zum erfolgreichen Ende der ersten Edition des MTB Arunachal wurden gehalten und leckere Snacks wurden serviert.
Hiermit fand das einwöchige exotische Rennen in Arunachal Pradesh seinen Abschluss und die meisten machten sich auch schon in der gleichen Nacht mit dem Bus auf den Weg nach Guwahati, Assam, um die lange Abreise zu beginnen.
Es war nicht mein erfolgreichsten Rennen, aber definitiv eines der abenteuerlichsten und erlebnisreichsten, das ich um keinen Preis hätte missen wollen. Ich durfte so viele nette Bekanntschaften machen, habe einen Einblick in eine für mich völlig neue Kultur erhalten und hatte ausgedehnte Fahrradtage durch die prächtige saftig grüne Bergwelt Arunachals.
Schon jetzt freue ich mich auf meine Rennteilnahme im nächsten Jahr- die Strecke soll sogar noch weiter ausgebaut und verändert werden. Langweilig wird es also nicht und ich werde in jedem Fall besser vorbereitet sein und versuchen, den teilnehmenden Frauen eine starke Konkurrentin zu sein.
Hier der Bericht zur zweiten Edition in 2018. Dieses Mal konnte ich tatsächlich das Rennen gewinnen.