Rückblick 2009/10 Freiwilligenarbeit in Indien Bericht 2

Der zweite Bericht von meiner damaligen Zeit als Freiwillige in Delhi und unserer ersten Reise durch den Wüstenstaat Rajasthan. Neun Jahre ist diese Zeit nun her und wenn ich selbst diesen bericht nun lese, fühle ich mich sofort in diese Zeit zurückversetzt. Ich bin etwas Stolz darauf, was wir damals in der kleinen Einrichtung mitten in einem Slum für die Kinder erreichen konnten.

Auch wenn ich an das damalige Diwali Fest denke, tritt ein leuchten in meine Augen. Mit dem Kamelführer Dellboy bin ich übrigens immer noch in Kontakt und schicke noch heute meine Gäste zu ihm auf Kamel Safari.

Ich hoffe ihr lest diesen Bericht genauso gern, wie ich!

Namaste!

Und schon wieder ist ein Monat herum. Wie die Zeit hier verfliegt! Ich habe das Gefühl, als seien wir schon ewig hier. Das liegt unter anderem daran, dass wir mittlerweile eine richtige Tagesroutine haben: Morgens gehen wir oft im nahe gelegenen Park joggen, dann sind wir bis um 5 Uhr bei der Arbeit, danach gehen wir meist noch etwas beim örtlichen Markt einkaufen und haben dann anschließend Hindi  Unterricht und/oder Yoga. Seit kurzen lassen wir uns sogar indisches Kochen beibringen.

Auch unser soziales Netzwerk baut sich immer mehr aus: Diwali zum Beispiel, das Neujahr-Fest der Hindus, auch “Lichterfest” genannt, haben wir bei Hukum und seiner Familie gefeiert, einem Bekannten von Joannas Onkel.

Das Fest war wirklich toll, wenn auch die Feuerwerkskörper viiiel, viiiel zu laut für unsere Ohren waren.

Bei Hukkum wurden wir mal wieder Zeuge von den Platzverhältnissen hier in Indien, wobei seine Familie noch mehr oder weniger “viel” Platz hat im Vergleich zu den meisten Anderen: Auf ca 40 Quadratmetern wohnen 5 Leute, es gibt eine winzige Küche, ein winziges Bad, ein Wohnzimmer, in dem die zwei fast erwachsenen Geschwister mit der Oma schlafen, und das Schlafzimmer der Eltern. Hier hat fast keiner richtiges Privateigentum. In Deutschland ist sowas kaum vorstellbar.

Wobei es dieser Familie noch richtig gut geht. In unserem Slum haben wir uns neulich mit einigen Frauen unterhalten und uns deren Wohnungen angeguckt – da schlafen bis zu sechs Personen in einem 9 Quadratmeter großem Zimmer.

Unsere Arbeit

Auch bei der Arbeit haben wir jetzt eine richtige Routine und wir sind schon gut im Team mit eingebunden! Vormittags machen wir wirklich Fortschritte mit den Kindern. Obwohl man erwähnen muss, dass die Anzahl der Kinder von ca 40 auf bis zu 90 Kindern angestiegen ist! Wir lernen die Kinder jetzt richtig kennen, wissen über deren Macken, deren Stärken, deren Vorlieben und können sie auf vielen Gebieten schon recht gut einschätzen. Wir haben jetzt auch schon Spielzeug gekauft und so langsam wird es mehr und mehr Kindergarten ähnlich!

Manche spielen Memory (obwohl man wirklich noch ein Auge darauf haben muss, weil viele Kinder den Sinn des Spiels eher darin sehen, wer die meisten Teile in seine Taschen stecken kann), andere puzzeln, wieder andere spielen mit dem Springseil! Wir haben uns in der letzten Zeit viel individuell mit einzelnen Kindern beschäftigt, die uns besonders aufgefallen sind. So gibt es dort zum Beispiel zwei Schwestern, die sich sehr von der Gruppe abkapseln und nur dann sprechen, wenn sie das Gefühl haben, unbeobachtet zu sein. Ein anderes Kind steht die ganze Zeit mit seiner Tasche in der Ecke und weint, wieder andere sind ganz schöne Rabauken. Um solche Kinder kümmern wir uns besonders intensiv und  haben auch schon Erfolge verbuchen können! Die kleine Schwester spielt jetzt sogar schon Ball mit uns – allerdings nur bis die große Schwester wieder dazu kommt.

Die Arbeit macht uns wirklich wahnsinnig viel Spaß, obwohl es einem manchmal echt Nerven abverlangt, die 90-köpfige Rasselbande zu bändigen! Auch die englischen Vokabeln bleiben jetzt schon in den Köpfen der Kleinen hängen!

Wir hatten vor einigen Wochen das erste Mal ein längeres Gespräch mit der Managerin von ABHAS, Manjusha, und da ist uns auch nochmal bewusst geworden, dass abgesehen von der Bildung, die die Kinder erhalten, andere Dinge viel wichtiger sind – zum Beispiel die regelmäßige Mahlzeit und einfach, dass die Kinder dort Kind sein können und all das machen können, was Kinder sonst so machen: spielen, lachen, sich kabbeln, malen etc. Viele von den Älteren müssen schon große Verantwortung übernehmen, obwohl sie eigentlich selber noch Kind sind.

Man wird außerdem immer wieder an die Armut der Kinder erinnert. Letzte Woche zum Beispiel war es einen Tag lang mal recht kühl, so vielleicht 15 Grad und wir haben ganz schön gefroren mit unseren Pullovern und da laufen Kinder barfuß mit kurzer Hose und T-shirt herum. Aber eben nicht nur die Kinder. Als ich mich an dem Tag mit der einen Frau, die für das Essen kochen zuständig ist unterhalten habe, hat sie mir auch erzählt, dass ihr in ihrem dünnen Salvar Kameez auch sehr kalt ist, aber dass ihr Mann das Geld „versäuft“ und sie das übrige Geld in die Kleidung ihres Sohnes investiert. Das gibt einem schon sehr zu denken.

Abgesehen davon sind wir echt recht ausgelastet, auch nachmittags, wenn wir entweder Berichte schreiben, Workshops fotografisch dokumentieren oder Unterrichtsstunden planen.

Unser Rajasthan Urlaub

In diesem Monat haben wir den Feiertag (Guru Nanaks Geburtstag) zum Anlass genommen, um ein bisschen mehr von Indien kennen zu lernen.

Wir sind also Freitag nach der Arbeit mit dem Zug in Richtung Jaisalmer, ein Wüstenort nahe der pakistanischen Grenze) aufgebrochen.

Während dieser 22-stündigen Zugfahrt lernt man dann natürlich auch seine Mitreisenden kennen, die Essen und ihre Lebensgeschichten mit einem teilen, während man vorbei an winzigen Dörfern durch die Wüste Thar fährt.

Jaisalmer hat uns unheimlich gut gefallen, mit seinen sandsteinfarbenen Häusern, einem romantischen See mit Tempeln drum herum und dem riesigen Fort, welches über der Stadt thront. Einziger Negativ-Punkt: Jaisalmer ist ein Touristenort und diese ganzen Händler haben unsere Nerven ganz schön strapaziert!

mitten in der Wüste Thar

Am Montag sind wir dann zur Kamelsafari aufgebrochen, eines der Höhepunkte unserer Reise! Mit einem Jeep und noch vier weiteren Touristen (zwei deutsche junge Frauen und zwei weltreisende Australier), sind wir in ein Wüstendorf außerhalb von Jaisalmer gefahren, wo auch schon unsere Kamelführer und unsere Transportmittel auf uns warteten! Das Aufsitzen war schon einmal ein Akt für sich, aber auch daran gewöhnt man sich. Das Kamelreiten hat auch viel Spaß gemacht, obwohl einem nach einem zweistündigen Ritt auf dem Wüstenschiff ganz schön die Beine schmerzen!

Mittags haben wir unter einem Baum Rast gemacht und dann wurde erstmal über offenem Feuer gekocht! Nach dem Essen haben alle sich im Schatten ausgeruht (weil es wirklich wahnsinnig heiß wurde) und um vier Uhr ging es dann weiter zu unserer nächtlichen Ruhestätte – einer Sanddüne wie aus einem Sahara-Urlaubs-Prospekt! Dort haben wir noch vor dem Essen den Sonnenuntergang bestaunt.

Obwohl es nachts doch etwas kalt auf dem Sandboden wurde (wir hatten nur ein paar Decken) und der Vollmond alles quasi taghell erleuchtet hat, war es eine tolle Erfahrung!

Am nächsten Morgen, nach dem Frühstück, haben uns unsere anderen Mitreisenden verlassen, die jeweils nur 1 ½ Tagestouren gebucht hatten und so sind wir beide mit dem Kamelführer und einem 12-jährigen Jungen  alleine weiter geritten. Das war eigentlich noch viel schöner, weil nun alles viel familiärer war und nicht mehr dieses Dienstleistungsverhältnis zwischen uns bestand. Abends haben wir dann zusammen gekocht und gegessen und danach noch am Lagerfeuer gesessen und unsere beiden Kamelführer haben für uns traditionelle Lieder gesungen und getrommelt. Wir konnten außerdem viel über das harte Leben in der Wüste erfahren, die Armut und die Probleme der Menschen in den Dörfern. Unser Kamelführer zum Beispiel hat ein Haus, das mehr oder weniger nur aus Ästen gebaut ist, weil Steinhäuser zu teuer sind. Gemüse gibt es sehr selten – meist wird nur Chapati und Chilli gegessen, Frühstück wird nie zu sich genommen und um sich das Kamel kaufen zu können, musste er sich viel Geld bei einem Großgrundbesitzer leihen. Er ist voll und ganz abhängig von diesen Kamelsafaris um seine Familie ernähren zu können.

Diese 3 Tage waren wirklich unheimlich toll und vielseitig – auch das Auge wird nie müde, da auch die Art der Wüste sich immer ändert. Mal hat man das Gefühl man würde in der Savanne reiten, dann wieder befindet man sich in einer schwarzen Steinwüste und kommt sich vor wie ein Cowboy in einem Western-Film, dann wiederum befindet man sich in etwas grüneren oder sandigen Gegenden und dann gibt es natürlich noch die Traumkulisse der Sandwüsten. Zwischendurch hört man das Bimmeln der Glöckchen von Schafherden, was eine Abwechslung bietet zum Furzen und Schmatzen der Kamele 🙂

Es ging dann weiter nach Jodphur – der blauen Brahmanenstadt, dessen Fort und die darin angebotene Audiotour unheimlich toll waren! Von dort sind wir nach Pushkar weiter gefahren, einem, wegen des heiligen Sees, beliebter Pilgerort für alle Hindus. Wie es das Glück so wollte, war dieser See leider grade mehr oder weniger ausgetrocknet – nur einige wenige Ghats (Badestellen, an denen sich die Gläubigen rein waschen) waren künstlich gefüllt worden. Trotz dessen musste Pushkar wenig von seinem Charme einbüßen! Hier kam man sich wieder vor, wie in einem anderen Land, mit all den Bergen, Kakteen und Palmen!

Den Sonnenauf- und Untergang haben wir von dem höchsten Berg in Pushkar bewundert, auf dem ein Tempel steht und ich muss sagen – dieser steile, 3 km lange Weg nach oben hat sich wirklich gelohnt, auch wenn wir mehr oder weniger nassgeschwitzt oben ankamen.

Von Pushkar ging es zum letzten Ziel unserer Reise – Jaipur, wo wir in einer indischen Familie wohnen konnten. Es war wahnsinnig interessant sich mit den Töchtern zu unterhalten, weil wir so einmal die Probleme der Jugend aus etwas wohlhabenderen Familien mitbekommen haben.

Natürlich hat dieser Besuch der Familie auch noch mal die Disparitäten Indiens zum Ausdruck gebracht: 5 Tage vorher erzählt uns unser Kamelführer davon wie er und viele, viele andere ums Überleben kämpfen und hier beklagen sich die Mädchen, die einen Fahrer, eine tolle Wohnung, reichlich zu Essen, eine gute Schulbildung und liebende Eltern haben, über zu wenig Freiheiten und dass ihr Leben hier zu eingeschränkt sei. Diese Probleme kommen einem vor so einem Hintergrund so unwichtig und nichtig vor, aber auch das ist eben Indien. Jede Schicht hat so seine eigenen Probleme.

So, dass war es erst einmal wieder von mir.

In einem Monat gibt es wieder Neues von mir zu hören !

Liebe Grüße,

Sarah

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