Vor einem Monat habe ich eine Einladung zu einer Hochzeit- nein Moment!- Eine Einladung zu vier Hochzeiten bekommen.
Ein Junge meines Yoga Kinder Camps und deren Familie hatte mich zu den Hochzeiten seiner zwei Schwestern und zwei Cousinen eingeladen, die alle am gleichen Tag und im gleichen Haus getraut werden sollten.
Das allein klang ja schon einmal spannend! Eine Hochzeit mit vier Pärchen. Zudem wollte ich schon immer einmal auf eine rajasthanische Hochzeit. Denn was viele nicht Wissen: Eine Indische Hochzeit ist nicht gleich eine indische Hochzeit. Überall, in jeder Region Indiens, wird anders gefeiert. Zwar sind die Hauptbestandteile einer Hochzeit schon irgendwie gleich (am Tag des Bharats kommt der indische Bräutigam zum Haus der Familie seiner Braut, dort finden gewisse Rituale statt, mit der gemeinsamen Feuerumrundung etc. und dann wird die Braut zum Hause des Bräutigams gebracht). Aber in den Details unterscheiden sich die Hochzeiten doch sehr voneinander. Für meine Freundin aus Südindien zum Beispiel, war die Hochzeit in dem nördlichen Bergstaat Himachal Pradesh, ebenso fremd, wie für mich: Es wird sich anders sich gekleidet, getanzt, gegessen, die zeitlichen Abläufe sind anders etc.
Hier in Rajasthan passiert zum Beispiel alles nachts! Von 22:00 Uhr bis 2 Uhr finden die Hauptzeremonien statt, was wahrscheinlich an der Hitze liegt, die ansonsten tagsüber herrscht.
Tanzen oder gar ein Feuer zu umrunden mag nicht nur anstrengend sein bei 42°C, sondern auch gefährlich. Für mich war es jedenfalls immer viel zu spät, sodass ich die vollständige Hochzeit gar nicht miterleben konnte. Was wahrscheinlich sowieso nicht geschehen wäre, ziehen sich die Rituale doch nicht nur über Stunden, nein sogar über Tage hin!
Aber zum Anfang zurück:
Ich habe mich auf die Hochzeit gefreut und sie fand sowieso zwei Tage vor dem Beginn unseres diesjährigen Kindercamps satt, also war es kein Problem etwas früher zukommen. Der 9. Mai muss ein sehr heiliger Tag in diesem Jahr in Rajasthan gewesen sein, haben doch Hochzeiten überall verstreut stattgefunden.
Ich habe mich extra zum Thema Geschenke beraten lassen und für die vier Bräute schöne indische Stoffe besorgt. Doch als ich im Ashram ankam, war die Stimmung bei unserem Guru ji nicht die beste. Denn unter den vier Bräuten waren nicht nur drei Erwachsene Mädchen (alle 20 und 21 Jahre alt), sondern auch ein elfjähriges Kind! Kinderhochzeiten sind noch immer etwas sehr typisches in Rajasthan und ein Thema, gegen das der Guru hier versucht stark anzugehen. Auch ich bin prinzipiell nicht für eine Kindesheirat, aber finde generell, das das ganze Problem noch viel tiefer wurzelt und man es von Grund auf angehen muss. Auch die Regierung verbietet Kindesheiraten. Eine Frau muss 18 Jahre alt sein und der Mann mindestens 21 Jahre. Doch das stört hier niemanden. Vorallem die etwas ungebildete und ärmere Schicht umgeht dieses Thema einfach, indem die Kinder durch die traditionellen Zeremonien verheiratet werden, dann bis zum vollen Alter bei den eigenen Familien weiter leben und erst danach die Heiratsurkunde unterschrieben wird und das Mädchen zur Familie ihres Mannes zieht. Für mich kein zu großer Unterschied, zur arrangierten Ehe im Erwachsenen Alter, haben doch die zu Vermehlenden eh kein Mitspracherecht beim Arrangement in Rajasthan.
Ich betone hier immer wieder stark, dass ich über die Verehelichung in Rajasthan sprechen. Kinder-Ehen und arrangierte Heiraten sind HIER noch sehr typisch. Anderswo sehen die Dinge schon ganz anders aus. Ich kenne viele Ehen die im Einvernehmen der Braut und des Bräutigames geschlossen wurden und auch so manche Liebeshochzeit anderswo in Indien.
Schließlich ist ja auch nicht jeder Inder gleich ein Vergewaltiger und auch nicht alle Inder leben vegetarisch!
So, Guru ji war also strikt gegen die Hochzeit, jedoch irgendwie zu angepasst um öffentlich etwas zusagen, denn alle vier Mädchen waren entfernte Verwandschaft. Zwar war er die meiste Zeit nicht anwesend doch kam er letzten Endes doch kurz, was irgendwie einer Legitimation gleichkommt.
Ich war neugierig, hatte Geschenke dabei und kannte die Familie sehr gut. Immerhin hat mir die Braut Mama das Kühemelken beigebracht! Also ging auch ich für ein paar Stunden zur Feier.
Ich war auch sehr glücklich, dass ich kam. Die Mädchen haben sich so gefreut und ich wurde wie ein Ehrengast behandelt. Während zwei der Mädchen ziemlich aufgeregt waren und der Vermählung entgegen fieberten, war ein anderes Mädchen, die 20 jährige Janshi und eine sehr gute Freundin von mir, eher sehr nervös und den Tränen nahe, denn schon bald, sollte ihr Leben ganz anders werden, mit einer neuen Familie und mit einem Ehemann. Die kleine elfjährige Urmilla schien eher teilnahmslos, so als verstehe sie gar nicht den großen Sinn, hinter der ganzen Veranstaltung. Sie machte einfach, was ihr gesagt wurde.
Dazu muss man sagen, dass die Mädchen zwar am nächsten Tag für eine Nacht zur Familie des Mannes mitgegangen sind, jedoch schon am folgenden Tag wiederkehrten um noch einen entspannten Monat im alten zuhause zu verbringen.
Was ich als sehr beruhigend empfand, war die Tatsache das die Geschwister Janshi und Koshal mit einem anderen Geschwisterpärchen aus dem entfernten Bikaner vermehlt worden und die anderen beiden Schwestern, Babita und die kleine Urmilla mit einem Geschwisterpaar aus dem nahen Nagaur. Wenigstens die Schwestern würden sich also gegenseitig haben.
Das ist auch übrigens ein Grund, warum die Kindesheirat stattfand. Um möglichst Geld zu sparen, denn auch eine indische Hochzeit mit über 1500 Gästen und über mehrer Tage ist sehr teuer, wurden gleich alle Mädchen zusammen vermehlt. Doch zu dem passenden Bräutigam für Babita, gab es nur einen kleinen Bruder, also musste auch die jüngste Schwester verheiratet werden, obwohl es dazwischen auch ältere Schwestern gab, die aber des Alters wegen nicht passten.
Meine Geschenke wurden sehr respektvoll mit offiziellem Foto entgegen genommen. Eine Dokumentation scheint wohl wichtig und ich freute mich, dass ihnen die Stoffe sehr gefielen.
Auf der Hochzeit waren, wie bei allen Veranstaltungen auf denen ich bis jetzt in Rajasthan war, Männer und Frauen getrennt. Zusammen mit den Frauen zog ich hinüber zu den Bräutigamen und deren Begleitschaft, die aus Hunderten von Männern bestand. Wir ehrten die Bräutigame mit einer Homa, einer Feuerzeremonie und ich stibitzte eine Samosa, einen indischen Snack, der scheinbar nur den männlichen Begleitern serviert wurde. Aber ich hatte Hunger und wie gut, dass man mit weißer Haut und großer Nase, seine extra Würste bekommt!
Ich bekam noch mit, wie den vier Bräuten von Familienmitgliedern verdünnter Jogurt über die Haare gegossen wurde (was auch immer das bedeuten mag). Sie saßen alle aufgereiht mit Blick zur Wand, auf der sie vorher einen Handabdruck mit Hennah neben einem gemalten Ganesha gemacht hatten. Ganesha steht für jeden Neuanfang. Dann wurde ich von den Frauen mitgezogen ins riesige Speisezelt. Eine Anmerkung wieder: Die „Höheren Männer saßen auf Stühlen und an Tischen, die „ einfacheren Männer“ hatten zumindest Tische und wir Frauen speisten auf dem Boden. Naja… bin ich ja aus Himachal gewohnt, nur das dort alle auf dem Boden sitzen.
Während es hier üblich ist, sich einen Teller (!!!) mit enger Verwandschaft und guten Freunden zuteilen, bestand ich auf meinen eigenen. Mit der Hand und auf dem Boden essen, dass kann ich, aber von einem Teller lieber nicht, da kann man ja nur einen Fauxpax begehen.
Das Essen war ok, viele Süßspeisen, die in Rajasthan witziger weise zuerst serviert werden, Chapathi, zwei Gemüsegerichte und viel kalte Buttermilch. Besonders letztere sagte mir zu!
Für mich war es Zeit fürs Bett. Die eigentliche Zeremonie fand gegen 22:30 Uhr statt, bei der die Bräutigame auf Pferden angeritten kamen dann die Feuerumrundungen mit bindenden Schwüren stattfand.
Ich war einfach zu erschöpft. Als einzige Westlerin steht man noch mehr im Mittelpunkt als die Zuverheiratenden und das strengt an, besonders in der Hitze. Außerdem kränkelte ich schon an diesem Tag (mittlerweile liege ich mit höllischen Kopfschmerzen, Fieber, Hals und Gliederschmerzen im Bett). Die Musik ertönte von der Hochzeit noch die ganze Nacht und am nächsten Morgen wurden die frisch Vermählten zu ihrem neuen zuhause gebracht, wieder mit viel Musik und unter einigen Tränen. Ganze Busse fuhren wieder ab und es kehrte Ruhe ein.