Seit dem ich im indischen Himalaya lebe (inzwischen sind es nun schon vier Jahre), ist Mountainbiking zu meiner großen Leidenschaft geworden.
Schon damals in Deutschland war ich viel mit dem Fahrrad unterwegs, nutzte das Zweirad aber eher um von einem Punkt zum anderen zu kommen und verfolgte eher Sportarten wie Schwimmen und Laufen.
Nun, hier im schönen Kullu Tal, das auf 2000 Meter Höhe gelegen ist, gibt es keine Schwimmbäder und die Berge laden nicht gerade zu ausgedehnten Jogging Touren ein, wenn gleich ich auch das versucht habe.
Also ging es auf das Mountain Bike!
Mein Mountainbike ist hier mein bester Freund und ein sehr treuer Gefährte. Es bringt mich Pässe hinauf, kann Steile Steigungen bewältigen und fährt mich über Stock und Stein, durch Sand und Bach und immer sicher an mein Ziel.
Während meine indischen Freunde eher dem Downhill Mountainbiking verfallen sind, liebe ich lange Anstiege mit einem lohnenden Ziel, wie einer schönen Aussicht, einem Pass oder einem gutem Essen und kann die Abfahrt dann umso mehr genießen!
Um Manali herum, meinem Wohnort im Kullu Tal, habe ich natürlich die schönsten Ziele schon erklommen: den 3980 Meter hohen Rothang Pass, 51 km von Manali entfernt, bin ich mehrfach gefahren, fahre öfter zum kleinen traditionellen Dorf Jana für ein typisches indisches Mahl oder radle kürzere Wanderpfade durch die Wälder.
Auch bin ich schon mehrfach auf dem Manali-Leh Highway unterwegs gewesen: 500 km auf über 6 Pässe, der Höchste von ihnen ist der Kardung La, der mit 5600 Metern der höchste befahrbare Pass der Welt sein soll.
Doch am letzten Wochenende nahm ich mir einen Pass vor, an dem ich fast scheiterte! Der 3140 Meter hohe Jalori Pass. Gar nicht so hoch, könnte man meinen, wo liegt das Problem? Tja, es war nicht die Höhe, die die Tour so anspruchsvoll machte, denn Atemprobleme hatte ich keine! Die Tour an sich war ein Gewaltritt! Nicht zu letzt, weil wir mehr als 2000 Höhenmeter erklommen.
Zunächst starte ich um 5:00 Uhr morgens mit dem einheimischen Bus von Manali zur Distrikthauptstadt Kullu. Hier traf ich um 7 Uhr meine drei Mitstreiter und wir machten uns auf die 30 km lange Abfahrt nach Aut (1000 m), auf dem National Highway 21.
Hier stärkten wir uns erst einmal mit einem indische Frühstück: süßen Milchtee und einer Parantha, einem mit Kartoffeln gefüllten Brotfladen. Ab hier begann das Abenteuer, ging es doch gleich durch einen 3 km langen Tunnel. In Indien hat man es nicht so, mit Vorsichtsmaßnahmen, sodass jeder der möchte und wie er möchte durch den dunklen Tunnel fahren kann!
Wir gelangten heil an das andere Ende und verließen die Hauptstraße um in das schöne Larji Tal Richtung Banjar abzubiegen. Die 21 km nach Banjar waren beschaulich, eine kleine Straße schlängelte sich bergauf und bergab durch das Tal entlang des Flusses Larji.
Ab Banjar wurde es heftig! Die Straße selbst war zwar fantastisch, doch bis zum neun Kilometer entfernten Jhibi, ging es steil aufwärts. Fast nur im kleinsten Gang konnten wir uns langsam vorwärts kämpfen!
In Jhibi angekommen war ich relativ zufrieden. Nur noch 12 km bis zum Pass, na wenn das nicht machbar ist! Doch der Hammer kam erst jetzt! Uns steckten ja schon über 60 km in den Knochen und nun wurde es nicht nur noch steiler, sondern die gute Straße verschwand und wir kämpften uns nur auf rutschigem Geröll und Sand den Pass hinauf!
Wir fuhren quälend langsam und es dauerte ewig von einem Kilometerschild bis zum nächsten. Regelmäßig mussten wir vom Rad absteigen um unsere Beine auszuschütteln, zutrinken, eine Kleinigkeit zu essen um den nächsten Kilometer noch irgendwie zu schaffen! So etwas war mir noch nie passiert! Normalerweise steige ich nie vom Rad aus Erschöpfung, Pausen nehmen mir eher die Energie, doch hier ging es nicht anders! Ich bekam Krämpfe an verschiedenen Stellen Gleichzeitig, alles schmerzte: Mein Rücken, meine Beine, Mein Nacken, selbst meine Arme.
Doch aufgeben gab es nicht! Die Bananen verhalfen kurzfristig zu neuer Energie und es ging weiter.
Für die letzten 5 km brauchten wir über 1 Stunde, doch ich war noch nie so glücklich gewesen, einen Pass zu erreichen!
Und was für einen! Diese Aussicht, diese Stimmung, die Natur! Hier gibt es nicht nur einen hinduistischen Tempel, sondern auch ein altes Fort und einen schönen See – und gutes Essen! Wie lecker einfacher Reis mit Bohnen sein kann! Himmlich!!!!!
Ich war so glücklich, aber auch so fertig, keinen einzigen Kilometer wollte ich mehr bergauf und es gruselte mich etwas vor der Rücktour!
Es war mittlerweile schon 17 Uhr als wir uns auf die Abfahrt machten, die sich als purer Fahrspaß herausstellte! Ein Traum und eine Belohnung für jeden Mountainbiker! Doch nach der zwanzig Kilometer langen Abfahrt ging es für kurze Strecken auch immer wieder aufwärts. Mittlerweile wurde es dunkel und wir erreichten erst um 20 Uhr Aut! Hier stieg ich in den Bus! Nicht das mein Abenteuer damit beendet gewesen wäre! Immerhin ging es ja noch 2 Stunden im klapprigen und überfüllten indischen Bus zurück nach Manali. Erst um 22:30 Uhr erreichte ich mein zuhause! Was für ein Tag!
Manchmal ist es wirklich gut, sich nicht zu detailliert mit seinem Tour Vorhaben vorher auseinander zusetzten! Hätte ich gewusst, was vor mir lag, wäre ich vielleicht nicht mutig genug gewesen es zu wagen!
Seit zwei Tagen mache ich nicht sehr viel außer zu essen und zu schlafen! Aber ich freue mich schon auf mein nächstes Projekt und kann jeden Mountain Bike verrückten das Kullu Tal und Manali in Indien nur wärmstens ans Herz legen! Kommt, kommt und powert euch aus und genießt die Berge des indischen Himalaya!