Der Manali-Leh Highway: Die Fakten
So viele Male haben wir den Manali-Leh Highway schon als Fahrradtour organisiert und nun ist es tatsächlich das erste Mal, dass ich etwas auf meinen Blog zu dieser großartigen Fahrradtour schreibe!
Der Manali-Leh Highway: 475 km lang, fünf hohe Bergpässe, zwei von ihnen über 5000 Meter hoch, 4 Monate im Jahr geöffnet, höchste Passstraße der Welt.
Doch das sind nur die harten Fakten des mittlerweile berühmt-berüchtigten und beliebten Highways.
Rollt man die Pässe Rothang, Baralacha und Lalung auf schlechter und unbefestigter Sandpisten hinab, vergisst man schnell, dass man sich auf einem National-Highway befindet und nicht nur auf einer kleinen Bergstraße.
Doch jedes Jahr werden mehr und mehr Teilstrecken von der sogenannten BRO (Border Road Organisation), einer Organisation der indischen Armee, erneuert und mittlerweile ist der Großteil der Strecke gut ausgebaut und man rollt angenehm über die breite asphaltierte Straße, zumindest solange, wie es nicht bergauf geht.
Die Anstiege zu den Pässen sind lang, nicht sehr steil, aber dafür führen sie hoch. Die Luft wird deutlich dünner und so mancher Radfahrer ist verwundert, wie einen wenige Kilometer doch den Atem und relativ viel Zeit in Anspruch nehmen können.
Doch umso größer ist die Freude, wenn man nach einem stundenlangen Anstieg endlich den Pass, mit seinem im Wind wehenden bunten Fahnen, erreicht hat. Dann gibt es unendlich lange Abfahrten, durch spektakuläre und sich in ständiger Veränderung befindenden Berglandschaften.
Der Verkehr ist nie wirklich schlimm.
Außer Fahrradfahrern, Motorradgruppen und Taxis mit Touristen, sind hauptsächlich Trucks unterwegs. Der Highway wird vorwiegend von der Armee genutzt und instand gehalten. Hin- und wieder kann es vorkommen, dass eine Armee-Kolonne mit 20 LKW einem entgegen kommt. Dann pausiert man lieber einmal mehr und lässt die Kolonne und Staub passieren.
Auf dem Highway zwischen Darcha und Rumtse gibt es außer temporären Zeltstädten alle 50 Kilometer, in denen man Verpflegung und einen Schlafplatz bekommt, nichts als Berge.
Wer auf luxuriöse Gasthäuser, eine warme Dusche und westliches Essen nicht verzichten kann, hat hier nichts zu suchen. Doch wer das Abenteuer liebt, eine sportliche Herausforderung sucht und auch einmal aus seiner Komfortzone kommen möchte (und dazu natürlich ein leidenschaftlicher Fahrradfahrer ist) muss einmal nach Indien kommen, um durch die Hochgebirgswüste Lahauls und Ladakhs zu radeln!
Der Anfang
Gestartet wird von Manali aus. Manali ist ein touristischer Bergort auf 2000 Meter Höhe, vierzehn Stunden (500 km) von Delhi entfernt.
Hier ist noch alles wunderbar grün, noch etwas niedriger und in der Monsunzeit kann es auch passieren, dass es etwas regenreicher wird. Die Wolken stehen zumindest sehr tief und wenn man in den ersten beiden Tagen bis über den 3980 m hohen Rothang Pass fährt, muss man mit dicken Nebelwolken rechnen. Das erste Camp richten wir auf 3200 Meter Höhe in Marhi ein- nach einer 36 km langen kontinuierlichen Bergauffahrt.
Doch mit Überquerung des Rothang Passes geschieht ein kleines Wunder: Plötzlich klart es auf, die Sicht wird weit und man hat einen tollen Blick auf die umliegenden hohen Berge, mit ihrer Schroffheit und den Gletschern.
Während die Auffahrt zum Pass auf gut ausgebauter Straße geschieht, ist die Abfahrt vom Pass bis in das 20 km entfernte Koksar ziemlich raff und man bekommt eine erste Idee davon, warum man auf Mountainbikes unterwegs ist.
In Koksar gibt es einen leckeren Milchtee und den ersten von Vier Checkpoints an denen man der Polizei seinen Reisepass vorlegen muss.
Durch das Lahaul Tal
Dann geht es auf ziemlich ebener Strecke immer am Chandra-Fluss entlang, durch beschauliche kleine Dörfer, Erbsen-, Kartoffel- und Kohlfelder. Dahinter ragen stolz immer höhere Berge gen Himmel. Unzählige Wasserfälle und tiefe Schluchten vervollständigen das Bild. Die zweite Nacht verbringen wir kurz vor Tandi auf der gegenüberliegenden Flussseite. Mutige nehmen ein erfrischendes Bad im Fluss, die Anderen laben sich an den frisch zubereiteten Snacks, die uns der Koch aus dem Küchenzelt schickt.
Es ist etwas windig hier, aber der Himmel ist klar und es erwartet uns eine sternenreiche Nacht, sogar die Milchstraße ist klar ersichtlich.
Wir verlassen die Zivilisation
Nach nur knapp sieben Kilometern erreichen wir die Distrikthaupstadt Keylong und passieren den letzten permanenten Markt für die nächsten 300 Kilometer. In weiter Ferne können wir in einem schneebedeckten Berg, die Silhouette der „Lady von Keylong“ ausmachen, die sich im schwarzen Gestein von dem weißen Schnee abhebt.
Wir radeln weiter bis nach Darcha, dem endgültig letzten Dorf im Staat Himachal Pradesh. Für die nächsten dreihundert Kilometer, bis zum ersten Dorf in Ladakh, werden wir auf keine Zivilisation mehr treffen.
Hier ist auch der nächste Checkpoint. Nach einem stärkenden Mittagessen, bestehend aus Sandwichen, gekochten Kartoffeln, Eiern und Schokoriegeln geht es nun wieder bergan bis nach Patseo auf 3700 m am Fuße des nächsten Passes, dem Baralacha La. Hier, an kleinen sprudelnden Bächen werden wir übernachten.
Bis dahin, gilt es den ein oder anderen Bach zu durchfahren. Während Gerhard stolz als „Nicht-Mountainbiker“ die kleinen Hindernisse mit Bravur durchquert und mit ein wenig Stolz meinte, dass er auf dieser Tour täglich dazu lerne und neue Erfahrungen machen dürfe, fällt Verena prompt in der Mitte des Baches um und nimmt ein unfreiwilliges, aber erfrischendes Bad. Sie nimmt es mit Humor!
Bis zum Mittelpunkt des Manali Leh Highways
Der dreißig Kilometer lange Anstieg bis hoch zum Baralacha Pass ist, nun ja, lang und unnachgiebig. Besonders die letzten Kilometer vom schönen Suraj See bis ganz nach oben ziehen sich. So manches Mal hatten wir oben auf den Pass auf 4880 Metern sogar Schneefall. Doch dieses Mal wurden wir mit wärmenden Sonnenstrahlen beglückt.
Nun nur noch hinab, bis nach Sarchu, dem Mittelpunkt der Strecke bei Kilometer 222. Einfach, möchte man meinen. Doch ist es nicht! Die Strecke ist steinig und sandig und verlangt dem gesamten Körper noch einmal einiges ab. Erst die letzten Kilometer können wir entspannt durch die Sarchu-Ebene rollen. Die Erosionen am Flussbett formen ganz besonders spektakuläre Landschaftsbilder. Gut, dass wir nun nach vier Tagen Fahrt einen Ruhetag einlegen.
Akklimatisation, Wäsche und leichte Wanderungen…
Den Tag Pause in Sarchu auf 4200 Meter haben alle nötig. Zum einen brauchen wir den Tag, um uns an die Höhe anzupassen. Aber auch eine Körperwäsche und das Durchspülen unserer Fahrradkleidung schaden nicht.
Einige von uns entspannen einfach, lesen ein Buch und schlendern ein wenig durch die nahe gelegene Zeltstadt. Andere unternehmen eine kleine Wanderung entlang des Flusses. James, mit 35 Jahren unser jüngster Teilnehmer aus Australien, der mit seinem 65 Jahre alten Vater die Tour beschreitet, unternimmt gar einen Morgenlauf hinauf zum nächsten Gipfel!
Wir genießen das entspannte Frühstück, bestehend aus der indischen Spezialität „Chana Puri“ (Kichererbsencurry mit Fladenbrot). Dazu gibt es Müsli und Pfannkuchen.
Generell wird der Tag durch die Mahlzeiten geprägt und auch das Mittag- und Abendessen steht dem Frühstück in nichts nach. Schließlich brauchen wir all die Energie für die nächsten vier Tage.
Die zweite Hälfte der Tour beginnt
Nach dem Ruhetag freuen wir uns, wieder auf unseren Fahrrädern unterwegs zu sein. Die heutige fünfte Etappe bis nach Whiskey Nallah ist mit knapp 40 Kilometern zwar kurz, aber mit einem 4900 Meter hohen Pass und den 21 Gata Loops – 21 engen Kurven, auch ziemlich knackig. „Nallah“ bedeutet übrigens Bach. Den Bach haben wir wohl gesehen, doch nach dem Whiskey suchten wir vergeblich :). Dennoch freuten wir uns über das sonnige und grüne Camp. Gerhard meinte gar, als er so vor seinem Zelt saß, für ihn sei das der perfekte Fünf- Sterne Urlaub.
Die Nacht auf 4800 Meter bekam uns gut, doch war knackig kalt. Unter 0° Celsius reichten die Temperaturen, denn der Himmel war klar und belohnte den ein oder anderen bei dem nächtlichen Toilettengang mit einer Sternschnuppe.
Ein Pass, die berühmten Morray Plains und ein Salzsee
Das Camp Whiskey Nallah befindet sich genau zwischen den beiden Pässen Nakeela und Lachung La (5000 Meter). Während wir den Nakeela ja bereits am vorherigen Tag gemeistert hatten, geht es nun über den fünf Kilometer entfernten Lachung La- unserem ersten Pass über 5000 Meter. Schon vom Camp aus sieht man den Pass, bis dahin sind es nur einige Serpentinen. Nach dem Pass geht es über eine Geröll- und Schotterpiste 20 Kilometer abwärts durch eine bizarre Sandlandschaft, geprägt durch Erosion. Dann gelangen wir nach Pang, einer großen Armeestation mit Helikopter-Landeplatz und Notfall-Krankenhaus.
Immerhin sind wir noch auf 4600 Metern und falls es gesundheitliche Probleme gibt, finden wir hier die nötige Hilfe. Doch in diesem Jahr geht es allen gut. Keiner hat Probleme mit der Höhe, niemand weißt Verletzungen auf. Im letzten Jahr schlug sich einer unserer Teilnehmer Subbu das Kinn auf, das hier professionell genäht werden konnte.
Von Pang fahren wir noch einmal fünf Kilometer bergauf und dann heißt es nur noch 30 Kilometer auf bester Straße durch die flache Hochgebirgsebene der Morrays fliegen, denn wenn man Glück hat, weht sogar ein kräftiger Rückenwind, der ein regelrecht über die Plains trägt.
Während wir so dahin rollen, sehen wir die weißen Zelte der Nomadenstämme in weiter Ferne, Ziegen- und Schafherden und sogar den ein oder anderen sogenannten “ Kiang“, den wilden Esel.
Nach dreißig Kilometern verlassen wir den gut ausgebauten Highway und fahren auf einen fünf Kilometer langen Sandweg zum Camp am schönen Tsokar See. Dieser ist ein Salzsee und Naturschutzgebiet und bietet eine idyllische Kulisse.
Bei einem Chai und Snacks besprechen wir im Camp den nächsten Tag. Alle sind ein wenig aufgeregt, schließlich soll es über den 5360 m hohen Tanglang La gehen.
Nach einem Abendessen, bestehend aus indischen Gemüsezubereitungen, Reis, Pasta und Linsen geht es früh ins Zelt zum Schlafen.
Der höchste Pass
30 Kilometer Anstieg sind es bis auf den 5360 Meter hohen Pass, doch die zu überwindende Anzahl von Höhenmetern ist mit knapp 600 Metern eher gering. Sowohl die LKW als auch wir, schlängeln uns langsam, aber stetig Richtung Pass und kurz vor der Passhöhe, da, wo die Luft deutlich dünner ist, greift Frank auch gern einmal an das Gerüst eines Trucks und lässt sich für wenige Meter ziehen.
Oben angelangt, japst jeder von uns erst einmal nach Luft, doch dann sind alle überglücklich und schießen Erinnerungsfotos von diesem grandiosen Erlebnis. Gut, dass es hier oben sogar ein kleines Zelt mit heißem Tee gibt, denn der heftig blasende Wind kühlt uns aus.
Gestärkt durch Tee und Mittagessen machen wir uns an die fast 40 km lange Abfahrt hinab bis nach Rumtse, dem ersten Dorf in Ladakh.
Manche von uns sind mutig genug eine Abkürzung zwischen den Kurven zu nehmen – die Abfahrt macht Spaß und ist grandios.
Unser letztes Camp
Unser Camp in Rumtse ist außerhalb in einem kleinen Garten einer einheimischen Familie gelegen. Hier wächst Gerste, Erbsen und Kartoffeln, es gibt viele Bäche, alles ist grün und die alte Besitzerin wandert mit ihren Kühen durch die grünen Felder.
Wir laden sie auf einen Tee ein und kommen mit der Hilfe unseres Hindi-sprechenden Führers in ein Gespräch mit ihr.
Am letzten Abend tischt unser Koch noch einmal richtig auf: Mehr als neun verschiedene Gerichte zählen wir. Das Highlight bildet der im Topf gebackene Kuchen zum Nachttisch.
Wir sind nun doch alle etwas traurig gestimmt, schließlich heißt es nun vom Begleit-Team Abschied nehmen.
Die letzte Etappe nach Leh
Den Abschied bringen wir gut über die Bühne und radeln nun die letzten 70 Kilometer bis nach Leh. Nach einer traumhaften 30 Kilometer langen Abfahrt durch Dörfer und tolle Felsformationen bis nach Upshi am Fluss Indus, geht es dann immer durch das Indus Tal, diesmal vorbei an mächtig aufragenden alten buddhistischen Klöstern.
Am Thikse Kloster stoppen wir zum Mittagessen und besuchen das Kloster, dann sind es nur noch 20 Kilometer bis nach Leh.
Die letzten 7 Kilometer sind hart. Nun nimmt der Verkehr zu, es geht wieder bergan und mühselig quälen wir uns durch die Hitze. Doch dann endlich: Wir erreichen das bunt verzierte Stadttor und haben es geschafft! 475 Kilometer über fünf Pässe von Manali nach Leh!!!
Tage in Leh
Wir genießen unser Gasthaus mit seinem Garten, Sitzen auf den Balkonen, genießen die Aussicht und auch die heiße Dusche. Wir spazieren durch die Stadt, besichtigen die Sehenswürdigkeiten, wie den Stadtpalast und die Shanti Stupa, gehen Shoppen, trinken guten Kaffee und essen einheimische Spezialitäten. Ach, es geht uns gut und wir nutzen den Ruhetag in Leh in vollen Zügen aus.
Am nächsten Tag geht es für die besonders Ambitionierten von uns hoch zum höchsten befahrbaren Pass der Welt: Den mehr als 5300 Meter hohen Kardung La. Mehr als 1800 Höhenmeter gilt es zu überwinden. Das Passerlebnis ist nach 4 1/2 Stunden Auffahrt wieder einmal grandios. Die lange Abfahrt zurück, fast noch besser!
Manche von uns haben nun noch ein paar Tage in Leh zum Relaxen und Sightseeing, andere Reisen ab und wieder andere machen sich auf zum nächsten Highlight: Der Stok Kangri, ein 6123 m hoher Trekkinggipfel soll bestiegen werden- zu Fuß. Doch von diesem Erlebnis berichte ich ein anderes Mal.