MTB Arunachal-Hornbill-Flight – das etwas andere Mountainbike-Etappen-Rennen

Über Arunachal


Ein Etappen-Mountainbike-Rennen ist ja an sich schon etwas Besonderes. Findet es dazu in Indien statt, wird ein solches Unternehmen schon ziemlich speziell. Doch ein siebentägiges Mountainbike-Rennen durch den weit abgelegenen Nordoststaat Arunachal Pradesh toppt wohl alles!


Arunachal Pradesh gehört zu den 7 Staaten, die sich den indischen Zipfel ganz im Nordosten zwischen China und Bangladesh teilen. Mit nur 17 Einwohnern pro Quadratmeter ist der 80000 km² große Staat dünn besiedelt. Größere Städte gibt es kaum. Die Einheimischen, die den verschiedensten Stämmen angehören, leben zu meist in Dörfern in kleinen Bambushütten, die auf Pfählen gebaut sind und etwa einen halben Meter über den Boden ragen.

Denn Arunachal gehört zu einem der regenreichsten Gegenden Indiens und besonders während der langen Monsunzeit von Juli bis September gibt es kaum einen trockenen Tag.
Die sogenannten „Highways“, die die Orte miteinander verbinden, bestehen eher aus Schlaglöchern als Straße, sind oft von Erdrutschen verschlammt und meist nur einspurig.

MTB Arunachal- Route

Hier geht es zum MTB Arunachal Video 2018 (empfehlenswert!)


Bei den teilweise die ganze Straßenbreite einnehmenden Pfützen, weiß man nie genau, wie tief sie sind und, wenn man seine Fahrlinie mutig wählt und Pech hat, reicht der Wasserstand auch gern einmal bis über die Knie.
Offroad, Singletrails und Co. gibt es bei dem Rennen von der Haupstadt Itanagar bis zum 650 km entfernten Bergort Mechuka, nahe der chinesischen Grenze, nicht.
Braucht man aber auch nicht. Die Straßenverhältnisse in Arunachal sind schlecht und somit bestens für das Mountainbiken geeignet. Selten hatte ich solchen Armmuskelkater von den vielen Schlaglöchern und oftmals habe ich mir ein Fullsuspension-Bike während des Rennens gewünscht.
Doch fangen wir noch einmal ganz von vorne an:

Anreise und was man so wissen sollte


Wer sich nämlich auf so ein Mountainbike-Abenteuer einlässt, muss erst einmal zum nächstgelegenen Flughafen Guwahati einfliegen. Der ist leider immer noch mehrere hundert Kilometer vom Startort Itanagar entfernt und mit dem Auto brauchten wir über 12 Stunden für die Distanz.
Außerdem liegt Arunachal an der chinesischen Grenze, weswegen alle Inder und Ausländer eine bestimmte Aufenthaltsgenehmigung besitzen müssen, den sogenannten PAP (Protected Area Permit). Das ist nicht weiter tragisch, muss aber vorher beantragt und bezahlt werden.
Ist man erst einmal in Itanagar angekommen, fällt schnell auf, dass hier die Uhren zwar nicht anders ticken, die Tageszeiten aber schon. Da für ganz Indien die gleiche Zeitzone gilt, geht die Sonne hier im Osten schon um 5:30 Uhr auf, aber eben auch schon gegen 17 Uhr unter. Gar nicht so einfach für Langschläfer .


Arunachal Pradesh bedeutet übrigens übersetzt, Land der Berge in der Morgenröte. Denn der schöne Staat ist vom hügeligen Himalaya durchzogen. Dabei geht es auf der gesamten Rennstrecke, jedoch nie über 2000 Meter, doch teilweise auch wieder sehr weit runter auf über 500 Meter über NN. Ein ständiges auf und ab.

MTB Arunachal-Mehr Abenteuer als Rennen?

Das MTB Arunachal Rennen hatte im Oktober 2017 sein Debüt und fand somit dieses Jahr erst zum zweiten Mal statt. Da der Nachmonsun noch sehr viel Regen brachte, verlegten die Organisatoren die diesjährge Veranstaltung auf den Zeitraum vom 14. bis zum 22. November mit anschließendem dreitägigen „Abenteuer und Kultur Festival in Mechuka“.


Leider ging die Rechnung nicht ganz auf: Auch in 2018 hatten wir die ersten Tagen einen beständigen Dauerregen.


Das MTB Arunachal erfreut sich großer politischer Unterstützung und ist das Steckenpferd des Union Ministers Kiren Rijiju. Auch der indische Superstar Salman Khan wurde mit ins Boot geholt und sponserte nicht nur das Preisgeld von insgesamt 27000 €, sondern wurde auch extra zur Siegerehrung nach Mechuka eingeflogen (was weitere 440000 € kostete). Der große Zementproduzent Dalmia ist der Hauptsponsor des Events und auch der Staat Arunachal Pradesh selbst verspricht sich viel für den Tourismus von dem Rennen und unterstützte zusätzlich.


Organisiert wurde das Rennen mit Hilfe der SSB, dem indischen Grenzschutz.
Wer sich etwas in Indien auskennt, der weiß, wo so viel Politik im Spiel ist, gilt es, sich auch ordentlich zu präsentieren. So wurde die Eröffnungszeremonie prunkvoll mit allen Politikern, Sponsoren und Unterstützern verbracht, viele Reden wurden gehalten und am Ende gemeinsam Kuchen gegessen.

Etappe Nr 1


Weniger prunkvoll war dann die erste Etappe: Nach einer kleinen Startrunde von 2 Kilometern wurden wir mit den Fahrrädern auf indische Trucks verladen, die uns 30 km außerhalb von Itanagar an die eigentliche Startlinie brachten. Eine ziemlich holprige Angelegenheit!


Mit dem Start begann dann auch der Regen. Glücklicherweise war die 80 km lange Etappe fast ausschließlich bergauf, sodass sie zwar lang und anstrengend war, uns jedoch nicht zu kalt wurde!
((((Überhaupt waren die Etappen eher reine Bergab- oder Bergauf-Etappen, etwas dazwischen gab es so gut wie nie.)))


Nach 5 Stunden Fahrt trudelte ich als insgesamt Siebte ein: gar nicht so schlecht für den Einstieg. Damit sicherte ich mir direkt den 1. Platz in der Frauenwertung, trotz starker Krämpfe. Nach der mehrtägigen Anreise war ich stark dehydriert. Doch die vielzähligen Verpflegungstationen waren gut bestückt und die netten einheimischen Freiwilligen gaben ihr Bestes, um meine Flaschen immer wieder mit Saft und Wasser zu füllen. Während ich mir Bananen genehmigte.


Die meisten anderen Fahrer kamen deutlich später, viele schafften es nicht vor der früh einbrechenden Dunkelheit.

Etappe Nr 2


Am zweiten Tag bestand die 65 km lange Etappe aus 50 km Abfahrt am Stück. Durch Schlaglöcher. Gefüllt mit Wasser. Manche einen halben Meter tief. Was für eine Fahrt! Bergab ist ja bekanntlich nicht meine Stärke, doch mit meinem neuen Fahrrad war ich auf einmal viel sicherer und hängte mich einfach an Poonam, die stärkste zweite Frau im Feld und wohl talentierteste indische Mountainbikerin.

Tatsächlich blieb ich an ihr drann. Ich war dankbar über meine Silikon Handschuhe und Schuhüberzieher, da sie mich wenigstens anfänglich vor dem kalten Regen schützten. Nach 20 Kilometern bergab war ich jedoch bis auf die Haut durchnässt und meine Schuhüberzieher mit Wasser durchtränkt. In den zu durchfahrenden Dörfern war die Straße besonders schlammig und es spritzte nur so vor sich hin. Doch wenigstens die Kinder und Dorffrauen waren begeistert uns merkwürdige „Vögel“ vorbei fliegen zu sehen.

Am tiefsten Punkt angelangt, konnte ich endlich wieder in die Pedale treten und einen klaren Etappensieg erfahren.

Auf Sieg und Etappe Nr 3

Auch alle weiteren fünf Etappen konnte ich in der Frauenwertung gewinnen und damit einen Gesamtsieg erzielen. Das harte monatelange Training extra für Arunachal hatte sich also gelohnt.

Nachdem ich im Jahr davor wirklich unfit war und die teilweise sehr langen Etappen nicht einmal beenden konnte, hatte ich das klare Ziel vor Augen in 2018 auf Sieg zu fahren. Denn eigentlich lag mir die Streckenführung des Etappenrennens: Lange Anstiege und nicht ganz so technische Abfahrten. Das Rennen war wie für mich gemacht und das nutzte ich auch aus. So war es auch bei Etappe Nr 3, eine 94 km lange Route durch dicken Matsch, hier noch einmal überwiegend bergab.

Aktion neben dem eigentlichen Rennen


Bei einem Etappenrennen sind die Nachmittage ja eh schon mit allerhand Arbeiten gefüllt: Das Gepäck muss zusammengesucht werden, die Zimmer gefunden, sich, die Kleidung und das Bike gewaschen und neue Energie aufgenommen werden.
Wenn es jedoch über Tage hinweg regnet, wird es schon schwierig, die klitschnasse Kleidung irgendwie für den nächsten Tag zu trocknen. Außerdem verabschiedeten sich fast bei allen Fahrrädern gleich am 2. Tag die Bremsbelege – der nasse Sand schmirgelte einfach alles weg und es bestand ernster Notstand für Ersatzteile!


Die Art der Unterkünfte wechselte von Tag zu Tag. Mal waren wir in einem Resort in Schlafsälen untergebracht, mal in Zelten, ein anderes Mal in schönen Hotelzimmern. Für die Einheimischen waren wir Mountainbiker ganz besondere Gäste und jeden Tag wurden wir auf sehr herzliche Art von tanzenden und singenden Frauen und Kindern in bunten Kostümen begrüßt und geehrt. Auch am Abend erhielten wir oft eine kleine kulturelle Vorführung.


Auch die Verpflegung war ganz unterschiedlich; tendenziell jedoch recht einfach bestehend aus Reis, einem Kohl-Kartoffel-Curry, etwas Hähnchen und Linsen.

Etappe Nr 4


Manchmal gaben sich die Gastgeber jedoch ganz besondere Mühe. Nach der sehr langen vierten Etappe, bei der wir über 120 km zurücklegten, wurden wir vom berühmten BASCON Festival in Basar beherbergt.

Das Festival ist ein dreitägiges Event, bei dem die Bewohner ganz Arunachals zusammenkommen um sich gegenseitig alte Traditionen (Kampf, Handwerk etc) zu lehren.


Wir wurden in einem schönen Camp am Fluss untergebracht und erhielten köstliche Speisen serviert auf großen grünen Blättern als Tellern und Bambusröhren als Trinkgefäß. Toll. Schade, dass wir hier nicht mehr Zeit hatten.

Etappe Nr 5


Die fünfte Etappe war mit 50 km angenehm kurz, sodass wir alle einmal etwas früher das Ziel erreichten. Auch hier wurden wir von einem ansässigen Politiker und seiner Frau königlich bewirtet und auf einer wunderbaren Wiese direkt am Siang Fluss untergebracht.

Blöd nur, dass das Fahrzeug mit den Zelten verloren gegangen waren. Als sie schließlich kamen, packten alle mit an, um schnell in den Schlafsack schlüpfen zu können und ausgeschlafen in den nächsten Tag zu starten.
Da es in Arunachal so zeitig hell und auch wieder dunkel wird, fiel der Startschuss meist schon um 8 Uhr.

Die letzten beiden Etappen

Auch die Etappen 6 und 7 waren lang und fast nur ansteigend, sodass sie sogar noch zeitiger starteten. Das Gepäck musste oft deutlich früher abgegeben werden, denn die Fahrzeuge waren auf den schlechten Straßen meist langsamer unterwegs als wir.


Nun ging es immer höher und höher und wir verließen die grünen tropischen Palmen und Bambuswälder und erreichten Nadelwälder und trockene Wiesenlandschaften. Ganz am Ende konnte man sogar schneebedeckte Berge erkennen.


Als ich endlich in Mechuka durch das Ziel rollte, freute ich mich riesig. Bis ganz zum Schluss, war ich mir meines Sieges natürlich nicht sicher, es kann ja immer ein Problem am Fahrrad auftreten oder zu einem Sturz kommen. Doch ich hatte es geschafft und nun hieß es für zwei Tage in Mechuka die Seele baumeln zu lassen, zu feiern und das Festival zu besuchen.

Fazit

Auch dieses Rennen ist soviel mehr als ein Rennen. Doch anders als beim MTB Himalaya, sind hier tatsächlich Abenteurer gefragt, die mutig genug sind, ein Mountainbike Rennen durch eine sehr abgelegene Region Indiens zu fahren und dabei (viele) Abstriche bei Unterkunft und Verpflegung machen in Kauf zu nehmen.

Wer das kann, dem erwartet ein ganz besonderes Erlebnis mit vielen kulturellen, landschaftlichen und sportlichen Highlights, tollen menschlichen Begegnungen und neuen Erfahrungen.

Zudem winkt auch ein ziemliches hohes Preisgeld 🙂

Ein großes Dank an Radl Rasti (Marco) und Andreas Seewald für den Zusammenbau und den Transport meines neuen Fahrrads!

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