Tief im ländlichen Rajasthan, 100 km von Jodhpur entfernt, befindet sich das Shri Jasnath Asan im kleinen Dörfchen Panchla Siddha. Ein kleines Ashram, das der Shir Jasnath Sekte angehört. Der heilige Jasnath ist der erste Guru von einer Kette von Heiligen, die die Jasnath Gemeinschaft seit ca. 500 Jahren spirituell anführen und leiten.
Die Schüler ihres Gurus Jasnath ehren ihren Anführer in Form von artistischen Feuertänzen und dem rezitieren von Ragas, fünfhundert Jahre Alte Lieder, die nur aus fünf verschieden zusammengesetzten Klängen bestehen und von Trommeln und hellem Glocken-Klingeln begleitet werden. Die Laute werden von den männlichen Anhängern der Hindu-Sekte gesungen. Sie haben keine sprachliche Bedeutung, sondern sind viel mehr Musik Therapie und lösen nachweislich chemische Reaktionen im Gehirn aus, die uns so in die Meditation und einem mental friedlichen Zustand führen. Die Tänzer und Singer ziehen in den Monaten von Januar bis Juni durch die westlichen Distrikte Rajasthans um mit ihren heiligen Ritualen, Familien zu ehren, Hochzeiten und Geburten zu feiern oder Tempel zu weihen.
Jogesh Beniwal, 26 Jahre, Feuertänzer und Raga-Sänger, lebt seit elf Jahren in diesem Ashram als Sewa um seinen Beitrag an die Gemeinschaft des Jasnath Ordens zu leisten. Seine Arbeit ist unbezahlt, doch als Sewa lebt er hier völlig kostenlos, wird verpflegt und bekommt Kleidung gestiftet.
Während meiner Zeit im Ashram hatte ich die Möglichkeit, Jogesh auf verschiedene Veranstaltungen zu begleiten, seinem Gesang und Trommelspiel zu lauschen und seine rythmischen Bewegungen beim Feuertanz zu bewundern. Der Feuertanz ist spektakulär. Ohne irgendwelche Anzeichen von Verbrennungen laufen sie über Feuer, nehmen die heiße Glut in den Mund und speien das Feuer wieder aus. Was für eine Show! Hier in den Distrikten der Jasnath Gemeinschaft sind die spirituellen Künstler Superstars, werden verehrt, verköstigt und oft reich beschenkt.
Ich ließ mir die Gelegenheit nicht entgehen um Jogesh nach einer seiner Tänze im Ashram zur Seite zu nehmen, um ihn über sein Leben im Ashram als Sänger, Tänzer und Sewa zu befragen.
Da Jogesh kaum Englisch spricht, verlief dieses Gespräch ausschließlich in Hindi und ich bin glücklich darüber, dass das Interview trotz meiner eigenen eingeschränkten Hindi Kenntnisse so gut verlief.
Hallo Jogesh, wie kam es dazu dass du dich für dieses Leben hier im Ashram entschieden hast?
Ich war fünfzehn, als Guru Ji für einer seiner Veranstaltungen in mein Dorf Kharawala im Barmir Distrikt kam. Ich war total begeistert von seinen Sängern und Tänzern und wollte das auch lernen. Zuhause lebte ich mit meinen sechs Geschwistern, fünf Brüdern und einer Schwester, die Schule hatte ich nach der achten Klasse abgebrochen. Damals interessierte ich mich nicht für das Lernen, das ist heute anders. Hier, inmitten in der Wüste haben wir kaum perspektiven. Ich wollte ein anderes Leben, etwas eigenes.
Also hat dich Guru ji mit zu sich in den Ashram genommen?
Ja. Anfangs lebten wir hier als Sewas und haben alle anfallenden Arbeiten durch unsere Karma Yoga Tätigkeiten verrichet. Wir haben geputzt, den Garten in Ordnung gehalten, gekocht und an den abendlichen Pujas teilgenommen (Pujas sind hinduistische Gebete in Tempeln mit bestimten Zeremonien, Gebeten und Gesängen). Ich bin in dieser Gemeinschaft erwachsen geworden und führe hier ein spirituelles Leben nach den 36 Prinzipen Shri Jasnaths. (Prinzipien die zu einem aufrichtigen, gewaltlosen, religiöses und toleranten Leben führen. Der Genuss von Fleisch, Alkohol und anderen Drogen ist strickt verboten.)
Das ging so für die ersten fünf Jahre. Mit der Zeit habe ich mich hoch gearbeitet und durfte Guru ji als Fahrer zu seinen Veranstaltungen begleiten. Ich beobachtete viel und so brachte ich mir die Ragas und das Tanzen selbst bei.
Und dann hast du auch an den Veranstultungen teilgenommen?
Ja. Zunächst habe ich nur gesungen für zwei Jahre, dann mit dem Tanzen begonnen. Ich mache das nun schon seit Acht Jahren.
Was magst du mehr, das Singen oder Tanzen?
Ich mag beides. Normalerweise gibt es entweder Sänger oder Tänzer, da beide Diziplinen nicht so einfach sind. Für die Ragas und das Tanzen braucht man totale Konzentration und Presenz. Um über das Feuer zu laufen, benötigt man die Segnung Jasnaths und muss seinen Geist völlig lehr machen, sonst wird es gefährlich.Ich bin einer der wenigen der singt und tanzt und kann mir nicht das eine ohne das andere vorstellen!
Könnte ich auch über das Feuer laufen?
Mit viel Übung, der richtigen Einstellung und Konzentration ja. Aber es bräuchte viel Zeit und Training, sonst wird es gefährlich. Wenn du das nächste Mal wieder kommst, bringe ich es dir bei!
Verbrennst du dich nie?
Nein. Ich habe mich noch nie verletzt und es ist auch während unserer Tänze nie etwas passiert. Wir stehen für etwa 4 Sekunden auf dem Feuer ohne uns zu verbrennen. Über das Feuer zu laufen ist eine Sache. Eine andere, das Feuer in den Mund zu nehmen und auszuspeihen. Das ist noch etwas schwieriger. Aber mit Jasnaths Unterstützung, wird es leicht.
Warum singt und tanzt ihr denn?
Um Jasnath zu ehren! Das Singen und Tanzen ist völlige Hingabe. Die Ragas sind wie Meditation, das Tanzen passiert wie in Trance, so sind wir unserem Guru am Nähesten.
Die Ragas sind wunderschön, ich liebe ihre Klänge. Kannst du etwas über sie erzählen?
Ursprünglich gab es mehr als 36, heute sind uns noch 20 Ragas bekannt. Ich selbst kenne Neun. Ein Raga besteht aus fünf bis sechs Lieder und dauern ca 20 Minuten. An einem Abend singen wir um die vier Raga. Es sind keine Lieder in einer Sprache mit einem bestimmten Inhalt, sondern sie sind einfach Kombinationen aus fünf verschiedenen Tönen, die den Geist beruhigen und leeren.
Gibt es bestimmte Rituale vor einem Tanz?
Wir sind gewaschen, sammeln uns, empfangen die Segnung Jasnath durch unseren Guru ji. Manchmal rezitieren wir das Mantra: „Om Badot Shimbhu Sirjanhar!Sarve Roop Tiyo Vistar, Paaye Dharti Sees Genar, Taa Shimbhu Ne Nimaskar.“ Mit diesem Mantra säubern wir die Umgebung vom Schlechten und Unreinheiten. Außerdem gibt es eine Puja vor unserem Tanz.
Du lebst hier schon sehr lange, vermisst du denn gar nicht deine Familie oder ein Leben mit deiner Familie?
Nein. Meine Familie kommt mich hier zweimal im Jahr besuchen und ich gehe auch mindestens einmal im Jahr nach hause. Ich habe fünf Brüder. Vier von ihnen sind schon verheiratet und alle leben mit ihren Frauen und Kindern zusammen in einem Haus, da ist eh nicht soviel Platz. Ich mag meine Freiheit hier im Ashram, ich mag meine Arbeit.
Hast du einen Plan für wie lange du hier leben möchtest?
Nein. Keine Ahnung. Vielleicht für immer, vielleicht für ein paar Jahre mehr. Ich plane nicht. Für jetzt ist es so gut. Wahrscheinlich werde ich nicht immer im Ashram sein, aber das Tanzen und Singen wird mich mein Leben lang begleiten!
Und dann, möchtest du heiraten? Du bist mit deinen 26 Jahren in Rajasthan weit über den Durchschnittsalter.
Das weiß ich nicht und möchte dazu auch nichts sagen. Ein leben nur mit Gott ist für mich auch in Ordnung.
(In Rajasthan Verehelichungen von fünfzehnjährigen und Jünger ist nichts unübliches hier. Die Kinder werden verheiratet und erst wenn sie Erwachsen sind, zieht die Braut zu der Familie des Mannes. Viele Männer haben hier Schwierigkeiten, eine Frau zu finden, da hier ein enormer Mangen an Frauen besteht. Ein Frauenleben in Rajasthan ist immer noch nicht viel wehrt, so dass die weiblichen Föten schon vor der Geburt umgebracht werden. Auf 100 Männer, kommen hier 85 Frauen.)
Vielen Dank für das Gespräch!
Hier können sie sich ein Video über Jogesh Feuertänze ansehen!