Februar Kalenderblatt Geschichte Nr.2
Zugegeben, das Bergdorf Manali im grünen Kullu Tal ist ein schöner Ort, aber irgendwie hatte ich das dringende Bedürfnis einmal weg zu müssen, mittlerweile war ich schon seit drei Monaten ununterbrochen hier – einfach einmal raus, das würde mir gut tun!
Ich teilte meinen Wunsch meinem indischen Freund Jogi mit und war ganz überrascht, als er meiner Idee zu ein paar Tagen „ Urlaub“ zu stimmte und sogar den Vorschlag machte, mit dem Motorrad über den Rothang Pass hinein in das Lahaul Tal zum Chandra Tal See zu fahren. Auf Hindi bedeutet Chandratal übersetzt Mondsee und tatsächlich gleicht der azurblaue See, eingerahmt in der trockenen Hochgebirgslandschaft Lahauls, in seiner Form einen Halbmond.
Ich fand die Idee gut und stimmte zu. Schon am nächsten Tag starteten wir früh am Morgen mit der geliehenen Royal Enfield Richtung Rothang Pass. Erst vor wenigen Tagen wurde der Rothang Pass geöffnet und oben, nahe dem höchsten Punkt, türmten sich noch immer die Schneemassen als dicke Wände rechts und links von der Straße auf.
Wir fuhren durch die weißen Mauern, um dann auf der anderen Seite einen ersten herrlichen Blick auf den hohen Himalaya zu haben.Vor unseren Augen erhoben sich schneebedeckte Gipfel soweit das Auge reicht, dicke Gletscherwände waren erkennbar und wir selbst fühlten uns ganz klein. Während der erste Teil der Strecke hinauf zum Pass auf gut geteerter Straße möglich war, wurde die Straße hinab nun deutlich schlechter und irgendwann glich sie nur noch einer schmalen Jeeppiste mit viel Geröll und vielen Flüssen, die sich ihren Weg über die Straße bahnten.
Na klar, so „früh im Jahr“ war die Schneeschmelze noch im vollen Gange und die Wassermassen mussten ja irgendwo hin. Die kleinen Flüsschen waren teilweise recht tief und während Jogi uns mit Bravur durch die Gewässer fuhr, schloss ich hinter ihm einfach die Augen und war immer froh, als wir im Trockenem auf der anderen Seite ohne einen Sturz ankamen.
Langsam fuhren wir nun durch das Lahaultal immer am reißenden Chandra Fluss entlang. Hier gibt es nichts als hohe Berge, Gestein und Sand. Keine einzige Siedlung befindet sich auf den gut 70 km zwischen dem Rothang und Kunzum Pass. Kein Baum wächst hier oben auf mittlerweile knapp 4000 Höhenmetern , kaum ein Mensch begegnet uns. Hin und wieder treffen wir auf eine Schafherde, nach den ersten 20 km hinter dem Rothang Pass kommt ein kleiner Rastpunkt mit zwei Dhabas, indischen Gaststuben. In den temporären Zelthütten bekommt man einfache Verpflegung und ein Lager für die Nacht.
Hier frühstückten wir und genossen unsere im Öl gebackenen Paranthas (gefüllte Brotfladen) mit eingelegtem Gemüse und Jogurt.
Sobald es weiter ging, konnte ich auch schon wieder meinen Rücken spüren. So eine Royal Enfield ist ja schon ganz cool, aber nichts für den Rücken des Hintermannes und schon gar nicht bei so einer „Fahrbahn“.
Doch ich hielt mich wacker auf der Maschine für die nächsten 40 Kilometer, für die wir immerhin zwei weitere Stunden benötigten.
Glücklicherweise hielten wir dann doch zwischendurch noch einmal an. Wir entdeckten ein paar tolle Felsen, zogen unsere Kletterschuhe an und „boulderten“ (Klettern) ein wenig an den nicht mehr als drei Meter hohen Gesteinsbrocken.
Gegen Nachmittag erreichten wir dann unser Tagesziel: Bathal. Bathal ist nicht mehr als eine Ansammlung temporärer Zelte mitten im Nirgendwo an einer Brücke, die über den Chandra Fluss führt. Wir stellten unser Motorrad vor dem hintersten Zelt ab und gingen hinein.
Drinnen ist es ziemlich gemütlich und angenehm warm. Mit dem Verschwinden der Sonne hinter den Bergspitzen wird es draußen nämlich ziemlich frisch und auch ordentlich windig.
Drinnen war es ziemlich gemütlich und angenehm warm. Mit dem Verschwinden der Sonne hinter den Bergspitzen wurde es draußen nämlich ziemlich frisch und auch ordentlich windig.
Hier waren wir geschützt und setzten uns auf die mit Isomatten und Decken ausgelegten Bänke. Genüsslich schlürften wir einen leckeren süßen Milchtee und schauten uns um. Mit uns saßen einige Truckfahrer und Schäfer. Der Wirt schürte das Feuer unter dem Herd noch einmal kräftig an und machte sich daran, für alle Übernachtungsgäste das Abendessen zu zubereiten. Ansonsten glich das Zeltinnere einem kleinen Laden. Es lagen Kekse, Chips, Getränke und Schokolade zum Verkauf aus. In der hinteren Ecke schnippelte der Gehilfe aus Bihar das Gemüse, daneben backte die Frau des Wirtes das Brot.
Wir genossen die entspannte Atmosphäre des Nichtstuns und freuten uns auf das Abendessen: Ein Kidneybohnen Curry, Blumenkohl mit Kartoffeln, dazu Reis und Brot. Lecker.
Noch einen süßen Tee zum Abschluss, dann ging es hinaus in unsere kleine Hütte. Denn wir schliefen nicht wie die anderen Übernachtungsgäste im großen Zelt, sondern hatten ein kleines Häuschen für uns allein. Nun ja, der Begriff Häuschen ist wohl etwas übertrieben. Vielmehr war es ein Loch in einer Mauer, ausgelegt mit Matratzen und Decken und mit einem großen Brett davor, das als Tür diente.
Zum Schlafen reichte es und ich überlegte mir lieber nicht, wer hier schon vor mir in den Decken geschlafen hatte.
Am nächsten Morgen war der Himmel wieder strahlend blau und die Sonne wärmte uns mit den kräftigen Strahlen schön durch. Wir aßen unser Frühstück draußen und machten uns dann auf zu unserem heutigen Ziel, dem Chandratal See. Für etwa 14 km ging es eine noch kleineren Jeepiste entlang, bis wir wenige Kilometer vor dem See hielten, um das letzte Stück zu Fuß zu gehen. Neben uns erhoben sich steil die beiden Gipfel C.B 14 und C.B 13. Zwei mächtige Bergriesen, beide über 6000 Meter hoch und von einer dicken Gletscherschicht bedeckt. Wieder begegneten uns Schafherden. Dann hatten wir den See erreicht.
Der erste Blick auf den See war wie ein Wunder: Die blaue Sichel stand im klaren Kontrast zur restlichen hellbraunen Landschaft und schmiegte sich dennoch harmonisch an die umliegenden Berge, die sich ringsherum vom See erhoben.
Wir warenmutig, zogen unsere Kleider aus und sprangen in das eiskalte Wasser, um sofort wieder hinauszueilen. Brrrr, das Wasser war kalt und der See erstaunlich tief!
Anschließend spazierten wir um den See, auf 4200 Meter Höhe keine einfache Sache und unsere Lungen hatten ordentlich zu tun.
Bevor wir zurück zu unserer „ Unterkunft“ fuhren, aßen wir an einem weiteren Mini-Zelt eine einfache Nudelsuppe. Dann ging es zurück. Doch dieses Mal fuhr ich!! Ich wurde von Jogi in die Künste des Motorradfahrens eingewiesen und versuchte die Bullet durch die Hochgebirgswüste zu balancieren. Keine leichte Aufgabe, die ich doch ganz gut meisterte.
Zurück im Zelt verbrachten wir den Rest des Nachmittages gemütlich beim Teetrinken und halfen beim Knoblauch- und Zwiebelschälen. Heute Abend sollte es Ziegencurry geben und wir freuten uns schon sehr auf das frische Fleisch, das der Wirt heute vom Schäfer bekommen hatte.
Während wir kochten, berichtete uns der Wirt von den Schneestürmen hier oben in den Bergen, bei denen sie mit ihren Gästen für Tage von der Außenwelt abgeschnitten werden.
Stolz zeigte er uns einen Zeitungsartikel, in dem über einen solchen berichtet wurde und bei dem der Wirt mehr als 50 Menschen Schutz und Versorgung bot.
Hier im hohen Himalaya wechselt das Wetter rapide und schnell kann es selbst im Hochsommer zu enormen Schneestürmen kommen.
Doch wir hatten während unseres Ausfluges Glück mit dem Wetter und konnten am nächsten Tag „ganz gemütlich“ zurück nach Manali fahren. Nach den drei Tagen in der Wüste freute ich mich wieder über das frische Grün der Bäume und Wiesen und mein eigenes Bett. Manali ist schon schön…