Anmerkung: Das unten beschriebene Szenario, ist nur eine von sehr vielen verschiedenen Varianten, wie Ehen heutzutage in Indien funktionieren oder eben auch nicht. Daneben gibt es natürlich auch Liebeshochzeiten, unglückliche Ehen und auch geschiedene Ehen.
Auch hängt die Art und Weise der Beziehung und des Arrangements von vielen Faktoren, wie Bildung, Kaste, Klasse, Familie, Region etc. ab.
Wenn ich in Deutschland davon erzähle, dass die Ehen hier in Indien „arrangiert“ werden, hört man als Reaktion gleich so etwas wie: „Oh mein Gott, Zwangsehen“!!!
Doch der Begriff „ Zwangsehe“ ist falsch. Natürlich passiert es immer hin und wieder einmal, dass die Braut oder der Bräutigam über das Arrangement auch einmal nicht ganz so glücklich sind.
In der Regel ist es aber so, dass die Familien lediglich einen Vorschlag machen und das Brautpaar durchaus Mitsprache Recht hat, sich trifft und ablehnen kann.
Dabei geben sich die Familienangehörigen (vorallem Tanten sind da sehr aktiv), wirklich die allergrößte Mühe, den besten Partner zufinden. Es werden umfragen im Freundeskreis gestartet, man trifft sich im Dorf um zuberatschlagen und spitzt die Ohren nach Heiratsfähigen !
Sogar das Horoskop wird herangezogen und auch die Kasten, Wohlstand und Ausbildung spielen eine Rolle.
Hat die Familie, dann eine passende Wahl getroffen, treffen sich die betreffenden Personen. Man tauscht Nummern aus, nimmt Freunde als Berater mit und trifft dann eine Entscheidung: Ja oder Nein. (Viel mehr als ein paar Treffen, passiert natürlich nicht.)
Sehr nahe kommt man sich dabei natürlich nicht und auch Liebe spielt (noch) keine Rolle. Doch man ist sich zumindest sympatisch und passt zusammen, denn dafür hat ja schon die Familie bei der Wahl gesorgt.
Mein Freund Pinku, der im letzten Jahr heiratete, musste sich sogar zwischen- zwei bis drei jungen Frauen entscheiden und kam zwischenzeitlich sogar ganz schön durcheinander.
Nun ist er glücklich verheiratet, wenn er einmal nicht mit seiner Frau zusammen ist, telefonieren die beiden lange und es scheint sich so etwas wie Liebe anzubahnen.
Doch auch wenn keine Liebe wächst, indische Ehen funktionieren. Kaum eine Ehe wird geschieden und darauf sind die Inder stolz.

Die Ursache ist, dass indische Ehen ein Arrangement ist. Ein Vertrag wurde geschlossen und man wusste vorher, worauf man sich eingelassen hat: Die Frau zieht zum man und wird den Haushalt regeln, während der man das Geld heranschafft. Es muss für Nachwuchs gesorgt werden, ab und zu besucht man die Familien und geht zu Veranstaltungen, vielleicht ein Urlaub ab und zu. Beide Parteien kennen ihre Rolle und haben weiter keine großen Erwartungen an ihren Partner. Es tut eben nicht weh, wenn der Ehemann einmal wieder später nachhause kommt und keine große Freizeit miteinander verbringt. Man ist mit, aber auch ohne einander glücklich.

Natürlich macht mich die Vorstellung allein, dass viele Inder nie mit ihrer großen Liebe zusammen sein werden, irgendwie traurig und die Idee einer arrangierten Ehe ist wohl nichts für mich. Doch in den Beziehungen selbst, scheinen die Inder wirklich zufriedener und seien wir doch einmal ehrlich, was ist denn überhaut die große Liebe? Wie viel Beziehungen halten in unsere westlichen Welt nicht, wie viele Ehen werden bei uns geschieden und gehen höchst unglücklich in die Brüche?
In Indien passiert es eben andersherum: Erst die Hochzeit, dann die Liebe.

Ich finde die arrangierte Ehe vorallem unter einem Aspekt interessant: Man muss sich in Indien als Unverheirateter nie sorgen machen, einmal keinen Partner zufinden und alleine ohne zukünftige Familie dazustehen. Denn selbst wenn man das für uns kritische Alter von Mitte dreißig erreicht hat und immer noch Niemanden gefunden hat, hilft eben die Familie und findet immer noch jemand passenden!