Im Hausboot durch das Kanalsystem der Backwaters in Kerala

März Kalenderblatt Geschichte Nr. 3

Bequem sitzen wir in unseren Stühlen auf dem „Balkon“ unseres kleinen schwimmenden Zuhauses für die nächsten 24 Stunden und genießen entspannt den frischen Kokosnusssaft, während wir friedlich durch die kleinen Kanäle der Backwaters fahren.

Angetrieben werden wir durch reine Muskelkraft: Unsere beiden Bootsmännern stoßen kraftvoll die drei Meter langen Holzstangen in den Untergrund und so treiben wir gleichmäßig über das Wasser- ganz ohne den Beiklang eines lauten Motors.

Die Backwaters sind ein auf 1900 km² vernetztes Wassersystem im südindischen Kerala. Es setzt sich zusammen aus natürlichen Seen und Flüssen, sowie einige angelegte Kanäle- ganz wie der  heimische Spreewald, nur dass es hier anstatt grüner Laubwälder und Wiesen, Palmen und Reisfelder gibt, die das landschaftliche Bild prägen. Auf den insgesamt 900 km langen Wasserwegen kann man hier durch das Wasserlabyrinth nahe der Küste des arabischen Meeres fahren. Hier trifft sich das Süßwasser aus den Flüssen der Westghats mit dem Salzwasser des Arabischen Meers, wodurch ein ganz besonderes Ökosystem entstanden ist.

Die Menschen haben sich hier ganz auf das Leben am Wasser eingestellt. Ihre kleinen Häuschen befinden sich direkt neben den kleinen Kanälen, jede Familie besitzt wenigstens ein kleines Kanu und vom Haus gibt es einen direkten Treppeneinstieg in das Wasser. Wir beobachten, wie sich Männer ausgiebig baden und die Frauen die Wäsche und das Geschirr waschen. Die Kinder sitzen entweder mit kleinen selbstgebauten Angeln am Ufer und warten geduldig auf einen Fang, oder tauchen immer wieder hinab zum Untergrund nach Muscheln.

All das bekommen wir mit, während wir auf unserem Boot sitzen und von einen Kanal in den nächsten fahren.

Ab und zu kommen uns kleine schlanke Boote entgegen, die zügig von den Männern durch das Kanalsystem getrieben werden. Die Kanus dienen als Fortbewegungsmittel, man erledigt Einkäufe, besucht seine Nachbarn oder fährt zu seinen Reisfeldern, die von dem Wasser der Backwaters bewässert werden.

Jährlich im August finden auf den größten Kanälen anlässlich des Onam Festes sogenannte „Schlangenboot“ Rennen statt. Die Boote mit aus Holz genschnitzten Schlangenkopf ähnlichen Buks sind über 50 Meter lang und bieten Platz für hundert Ruderer. Neben den eigentlichen Rennen gibt es festliche Prozessionen mit viel Musik.

In den größeren Kanälen gibt es sogar Fähren, die wie Busse, ganz regelmäßig bestimmte Strecken fahren.

Doch wieder zurück auf unser Hausboot: Nicht nur Menschen begegnen uns auf unserer Tour. Kleine Entenfamilien kreuzen unseren Weg, der kleine blaue Kingfischer taucht immer wieder aus dem grünen Buschwerk auf und auch die eine oder andere Wasserschlange lässt sich blicken. Sogar Schildkröten und Otter soll es hier geben.

Während wir voller staunen die schöne Umgebung in uns aufnehmen, ist unser Bootsmann in die kleine Küche am Bug unseres Gefährts verschwunden und es duftet schon ganz herrlich.

Uns lockt der köstliche Duft aus unseren bequemen Stühlen und wir besuchen ihn in seiner Küche.

Gerade raspelt er frische Kokosnuss, während in der einen Pfanne Senfsamen und Curryblätter geröstet werden und in der anderen kleine Fische knusprig auf ihrer Haut gebraten werden. „Selbstgefangen“ meint der Koch stolz und wir glauben ihm es einfach.

Sein Helfer, teilt uns  in einem Mix aus Malayalam (der einheimischen Sprache hier) und Englisch mit, dass wir hier ganz in der Nähe eines schönen Strandes seien und dass wir bis das Essen fertig sei, schwimmen gehen können.

Wir freuen uns auf ein kühles Bad und stimmen zu.

Wir werden von dem Boot über eine kleine Straße geführt und tatsächlich sind wir nach wenigen Gehminuten am Meer. Wir springen direkt in das Wasser und genießen es im arabischen Meer zu schwimmen. Plötzlich ruft unser Begleiter ganz aufgeregt und zeigt hinaus auf das Meer. Verwundert drehen wir uns um und sehen gerade noch eine Schwanzflosse im Meer verschwinden. Delfine! Ganz aufgeregt beobachten wir nun, wie ein Delfin nach dem anderen nur wenige Meter von uns entfernt, durch das Wasser springt. Was für ein Erlebnis!

Nach dem Badespaß sind wir ordentlich hungrig und das anschließende Mahl aus einem grünen Bohnen Curry, einem fruchtigen Ananasgericht, den kleinen Fischen mit einheimischem Reis ist ganz vorzüglich.

Eine Keralische Mahlzeit auf dem Bananenblatt

Nun sitzen wir wieder ganz gemütlich in unseren Stühlen und führen unsere Tour durch das immer enger werdende Kanalsystem  fort.

Doch dann packt mich die Neugier und ich möchte einmal selbst ausprobieren, das große Boot in Bewegung zu setzten. Der Bootsmann überreicht mir gern seine Stange und erklärt mir die Bewegung. Es ist gar nicht so einfach die lange Stange aus dem Wasser zu hieven, aber es gelingt mir halbwegs einen geraden Kurs zu halten und vorwärts kommen wir nun zwar deutlich schleppender, aber immer noch.

Am späten Nachmittag erreichen wir wieder unseren sicheren Abend und der Bootsmann legt wieder in der Küche zu. Wir selbst schnappen uns ein kleines Kanu und versuchen noch einmal ganz auf uns allein gestellt, durch das Wasser zu kommen um am nächsten Kanal noch etwas Obst zu kaufen.

Diese Aktion stellt sich als deutlich komplizierter heraus und immer wieder geraten wir in das Gebüsch in Ufernähe und fangen auch ziemlich heftig zu schaukeln an. Doch schließlich schaffen wir es samt unserer erstandenen Wassermelone wieder sicher zurück.

Unser Abendessen nehmen wir wieder auf dem Hausboot ein. Ganz friedlich ist es nun hier auf dem Wasser und man hört nur die Wellen leicht gegen das Boot schlagen und ein paar Frösche quaken.

Müde, aber glücklich gehen wir in unsere Koje und schlafen beim gemütlichen schaukeln auf dem Wasser auch ganz schnell ein.

Leider trügt das idyllische Bild der Backwaters über einige ernsthafte Umweltprobleme hinweg.

Sowohl die Bewohner, als auch der Tourismus trägt durch Umweltverschmutzung zu großer Zerstörung des Ökosystems bei. Fäkalien und Chemikalien werden in das Wassersystem geleitet, die vielen motorisierten Hausboote verpesten die Umwelt mit Abgasen und die unerlaubte Trockenlegung einiger Gewässer zur Gewinnung von Nutzfläche führte zu einer starken Verkleinerung des Backwatergebietes. Krokodile und viele Fischarten gibt es hier schon längst nicht mehr, dafür verbreitet sich die Wasserhyazinthe ungehindert.

Als Gäste des Landes können wir zum Schutze der Gegend einen kleinen Beitrag leisten, indem wir nicht mit dem motorisierten Hausboot unterwegs sind, sondern lieber ein Eco- Hausboot wählen oder sogar bei einer Kanufahrt selbst zum Paddel greifen!

Copyright © 2021 Chalo! Reisen