Indien- ein großes Land mit vielen Highlights
Obwohl ich nun bereits seit beinahe zehn Jahren in Indien lebe, ist es mir bei weitem noch immer nicht gelungen, ganz Indien entdecken zu können. Sehr oft kehre ich zu Orten, die mir besonders gut gefallen haben, zurück oder ich bin mit meinen Reisegruppen unterwegs, wobei meine Gäste bei ihrem ersten Indien-Erlebnis natürlich meist auf bekannteren Pfaden reisen, da bereits das „normale Indien“ kulturell einiges zu bieten hat.
Indien ist einfach so unfassbar groß und die Reisewege oft sehr lang, sodass ich Indien für mich nur in kleinen, langsamen Schritten entdecke.
Dabei bleibe ich natürlich meinem (und Chalo!Reisens) Reisemotto: „Indien aktiv erleben“ treu.
Da ich in Indien fest in der kleinen Mountainbike Gemeinschaft integriert bin, bin ich bezüglich Mountainbike-Events und Rennen in Gesamtindien immer gut informiert.
7 Tage Etappen Rennen im Bergstaat Uttarakhand
Als dann die CFI (Cycling Federation of India) die vierte Ausgabe des siebentägigen Etappen-Rennens durch den Himalaya-Staat Uttarakhand bekannt gab, stand für mich fest: daran würde ich teilnehmen. Die Entscheidung dazu ist mir übrigens nicht wirklich schwer gefallen. Nicht nur, dass es eine komplett organisierte Fahrradtour durch eine Gegend geben würde, die mir weitestgehend noch unbekannt war, sondern es gab auch keine Teilnahmegebühren, da das Rennen dazu dienen sollte, Mountainbiken in Indien zu fördern und in Zusammenarbeit mit Uttarakhand Tourism auch den Tourismus-Vorort zu unterstützen.
Touristische Aktivitäten in Uttarakhand
Denn der Himalaya Staat hat mit dem heiligen Ort Rishikesh am Ganges, den Corbett Nationalpark mit freilebenden Tigern und Elefanten, unzähligen Trekking- und Pilgerrouten zu heiligen Seen, Tempeln und Flussquellen und den höchsten Bergen Indiens (Nanda Devi (7434 m) , Thrishul (7120 m), Kamet (7756 m) und vielen weiteren bekannten und unbekannten Gipfeln, die das Herz eines jeden Bergsteigers höher schlagen lassen) einiges zu bieten. Bergsteigerinteressierte unter euch haben vielleicht den Film „Meru“ geschaut, ebenfalls ein Gipfel in Uttarakhand. Ich selbst habe in Uttarkhasi, Uttarakhand im NIM Bergsteigerinstitut im Jahr 2011, an einem vierwöchigen Bergsteigerkurs teilgenommen und konnte so selbst das erste Mal diese grandiose Bergwelt erleben. Für weniger extreme Bergtouren hat Uttarakhand auch beschaulichere Pilgertouren mit grandiosen Aussichten (Kuari Pass Trek) oder zu heiligen Quellen (Gangotri) zu bieten.
Als ich im letzten Jahr einen Freund beim Grenzschutz (Uttarakhand liegt an der nepalesischen Grenze) besucht hatte, durfte ich einige ausgezeichnete Touren mit dem Mountainbike unternehmen. Die Anzahl an Jeeptracks, Waldwegen und Dorfpfaden ist phänomenal. Daneben gibt es in Uttrakhand auch ein für Indien ungewöhnlich gut ausgebautes asphaltiertes Straßennetz. Viele professionelle Straßenradsportler aus ganz Indien kommen hierher, um auf den langen Anstiegen zu trainieren.
Ein internationales Mountainbike Rennen in Indien
Nun also zurück zum eigentlichen Thema: Das MTB Uttarakhand Rennen:
Natürlich erfreute sich das Rennen als kostenlose Veranstaltung einiger Beliebtheit bei indischen Mountainbikern. Außerdem wurden asiatische Spitzenmountainbiker eingeladen – darunter die nationalen Champions in XC Mountainbiken aus Thailand, Indonesien, Singapur, Nepal, Iran und Malaysia. Und dann war da ich, die einzige nicht asiatische Teilnehmerin J.
Damit hatte sich ein vermeintlich leichter Sieg für mich in der Frauen-Kategorie erledigt (ich rechnete vorher nur mit einen kleinen Kreis von indischen Teilnehmerinnen, dennoch freute ich mich über die neue Erfahrung auch international ein Rennen zu fahren.
Das Rennen hörte sich also rundum gut an, oder? Eines sollte man jedoch wissen, bevor man sich selbst zum Rennen anmeldet: Die Bezeichnung MTB, bezieht sich nämlich lediglich auf das Fahrrad und keinesfalls auf die Strecke selbst. Wer beim MTB Uttarakhand nach technischen Trails, Waldwegen oder Jeeptracks schaut, sucht vergebens. MTB Uttarakhand findet weitestgehend auf asphaltiertem Untergrund statt, wenngleich dieser jedoch hin und wieder so schlecht ist, dass ein Mountainbike durchaus gefragt ist.
So kamen die technisch talentierten Fahrer aus ganz Asien natürlich nicht ganz auf ihre Kosten. Vor allem die Mädels waren Off-Road und kurze Cross Country Distanzen gewohnt, und nicht die kontinuierliche Anstiege von 15 km Länge und mehr auf Etappen von über 100 km.
Doch als technischer Hemmschuh und passionierte Kletterin, lag mir eigentlich genau dieses Streckenprofil, wenngleich selbst ich nach 7 Tagen Straßenrennen natürlichen Untergrund sehr vermisste.
Das Rennen- Die Qualifizierungsrunde
Das Rennen begann in Nainital- einen Bergort an einem hübschen See auf 2000 m gelegen und sehr beliebt bei indischen Touristen als Fluchtort im Sommer, wenn es im restlichen Indien unerträglich heiß wird.
Da natürlich viele indische Mountainbiker die Chance eines kostenlosen Etappenrennens für sich nutzen wollten, kamen mehr indische Teilnehmer, als die Renn-Organisation betreuen konnte. So bestand die erste Etappe aus zwei Runden von je 25 km, bei dem nur die 50 besten indischen Fahrer selektiert wurden. Weibliche und internationale Teilnehmer hatten eine Freikarte zum Rennen.
Obwohl die Mädels also nur zum „Spaß“ mitfuhren und es eigentlich eine schöne Aufwärmrunde war (die Frauen mussten nur eine Runde fahren), wurde es irgendwie doch ernst und alle Frauen strengten sich ganz schön an. Nach dieser „Quali-Runde“ stand für mich fest, hier kann ich leider nicht mithalten.
Also drängte ich den Gedanken eines Rennens in den Hintergrund und erfreute mich anstatt am reichhaltigen Frühstücks und Mittagsbuffet und freundete mich mit meiner Zimmernachbarin aus Singapur an.
Ich war wirklich überrascht über die gute Organisation des Events. Bei anderen Fahrradrennen in Indien, die unter staatlicher Organisation standen, mangelte es sonst oft an sportlergerechter Ernährung oder die Unterbringung war sehr einfach gestaltet.
Doch bei diesem Rennen stimmte eigentlich alles: Gute Unterkünfte, Verpflegung, beste Straßenmarkierungen und alles verlief mehr oder weniger nach Plan.
Etappe 1 Nainital-Almora ca. 90 km
Die erste Etappe von 90 km bis nach Almora war dann auch schon das Highlight der gesamten Tour für mich: Von hinten arbeitete ich mich ganz nach vorne vor und konnte die erste Etappe ganz knapp gewinnen. Ich konnte es kaum glauben, hatte ich mich tags zuvor doch schon weit abgeschlagen gesehen. Doch die Mädels hatten bergauf Schwierigkeiten und ich fühlte mich hervorragend. Auch kam mir zugute, dass die Etappe 10 km länger, als ursprünglich ausgeschrieben, war.
Natürlich lagen nun alle Augen als Siegerin der ersten Etappe auf mir.
Etappe 2 Almora-Kausani ca. 80 km
Am zweiten Tag nach Kausani lief es schon nicht mehr ganz so gut: Ich schaffte es einfach nicht am Anfang an den schnellen Mädels dran zu bleiben, die alle zusammen fuhren.
Ich gab mein Bestes, um nicht zu viel Zeit zu verlieren. Dabei war es natürlich nicht sehr hilfreich, dass mein Sattel lose war und sich stetig absenkte. Schließlich hielt ich an und hatte das Glück den Mechaniker direkt hinter mir zu haben, der das Problem schließlich löste.
Kurz vor dem letzten kurzen Anstieg schaffte ich es schließlich, die erste Gruppe Mädels einzuholen und am Ende erreichte ich nur wenige Minuten hinter der Erstplatzierten das Ziel.
Kausani war ein wunderschöner Ort zum Verweilen, mit einer tollen Aussicht und guten Unterkunft. Am Abend genossen wir alle das tägliche Kultur-Programm.
Etappe 3 Kausani-Rudraprayag ca. 140 km
Die dritte Etappe nach Rudraprayag stellte mit 140 km die längste Etappe des Rennens dar.
Da die letzten 90 km weitestgehend flach waren, war diese Etappe sehr strategisch und wer immer einen großen Fahrer vor sich im Wind hatte, war klar im Vorteil. Nun, diesen hatte ich nicht und war nach der langen Etappe ganz schön geplättet. Wieder erreichte ich das Ziel einige Minuten hinter den ersten Fahrerinnen.
Rudraprayag ist ein beliebter hinduistischer Pilgerort, da die beiden heiligen Flüsse Alaknanda und Madakini hier zusammen fließen.
Etappe 4 Rudraprayag-Tehri ca. 115 km
Etappe 4 zum Tehri See sollte mir eigentlich liegen, startete sie doch mit einem 30 km langen Anstieg.
Doch ich hatte mich von der langen Etappe am Tag vorher nicht erholt, sodass ich für die ersten 20 km ganz am Ende als allerletzte Fahrerin fuhr. Dass ich wirklich die Allerletzte war, merkte ich daran, dass ich den Besenwagen hinter mir hatte und schon allein das nervige Motorengeräusch war ein Grund genug, etwas weiter nach vorn zufahren. Irgendwann (nach viel Wasser mit Elektrolyten und einigen Gels), ging es mir dann endlich besser und ich startete die Aufholjagd. Dabei kam mir zum Vorteil, dass aus dem 30 km Anstieg ein 40 km Anstieg wurde, der den meisten Mädels vor mir das Genick brach und ich einige auf der Strecke einholen konnte.
Beim MTB Uttarakhand gab es weder ein Routenprofil, noch genaue Höhenangaben. Die Briefings zur Strecke am Tag vorher, waren alle immer sehr ungenau gehalten, sodass wir nie wirklich wussten, wie lang und wie viele Anstiege es gab. Hin und wieder stellte sich die Strecke am Ende auch als deutlich kürzer oder länger heraus.
Ich schaffte es bei dieser 115 km langen Etappe mit Platz drei endlich wieder einmal auf das Podium. Hoch motiviert freute ich mich auf den Ruhetag am Tehri See, dem größten Staudamm Indiens.
Ruhetag am Tehri See
Am Ruhetag machte ich eigentlich alles richtig: ich aß gut, schlief, machte Yoga und Foam Rolling und begab mich sogar auf eine Erholungsausfahrt.
Etappe 5 Tehri – Chinyalisaur ca. 40 km
Am nächsten Morgen fühlte ich mich wunderbar und hoch motiviert für die nächste Etappe nach Chinyalisaur, die mit 60 km auf flachem Terrain schnell sein würde.
Aus den 60 km wurden am Ende 40 km ohne großartige Anstiege. Da konnte ich bei den schnellen Mädels nicht mithalten und verlor auf die erste Fahrerin sogar 14 min!
Während ich in der Gesamtwertung bis Etappe 4 noch immer auf Platz 2 lag, rutschte ich nun auf Platz 3 und hatte Platz 4 dicht hinter mir.
Etappe 6 Chinyalisaur- Mussoori ca. 80 km
Die letzte Etappe zum beliebten Touristenort Mussoorie war 80 km und hatte lange Anstiege. Ich wollte diese Etappe gewinnen, um so eine Podiumplatzierung zu sichern. Doch die Mädels aus Indonesien und Thailand waren wie ausgewechselt und sprinteten die Berge hoch. Ich hatte keine Chance und erreichte als Vierte das Ziel und war somit auch Viertplatzierte im Gesamtranking.
Nachdem ich hörte, mit welchem Vorsprung (20 min) die Mädels das Ziel erreicht hatten, war ich dennoch zufrieden mit mir. Die asiatischen Profi-Fahrerinnen waren deutlich stärker und ich konnte ihnen wenigsten eine gute Konkurrenz bieten.
Fazit zum MTB Uttarakhand
Von Insgesamt 12 Mädels, erreichte ich auf Platz vier, mit den Mountainbikerinnen aus Nepal, Indonesien und Thailand vor mir.
Insgesamt war das gesamte Rennen eine sehr gute, aber auch sehr anstrengende Erfahrung. Nie zuvor hatte ich so einen Konkurrenzkampf: Fast täglich hatten wir eine andere Fahrerin auf dem Podium – für ein Mountainbike-Rennen in Indien wirklich ein großer Schritt nach vorn.
Ich bin dankbar, 7 Tage mit und gegen solch professionelle Sportlerin gefahren zu sein, Freundschaften schließen zu können und den wunderbaren Staat Uttarakhand endlich näher kennengelernt haben zu dürfen.
Auch habe ich für mich erkannt, dass Gewinnen zwar schön ist, aber für mich längst nicht alles. Ich mag Events, bei dem die eigentliche Herausforderung darin besteht, die Etappen zu meistern und meine eigenen Herausforderungen gegen mich selbst zu haben. Auch habe ich wirklich einen natürlichen Untergrund unter meinen Reifen vermisst. Ich mag eine schlechte, aber leidenschaftliche Mountainbikerin sein. Straßenrennen mit Kopf an Kopf Rennen stressen mich eher!
Hier Infos zum MTB Himalaya Rennen, ein ebenfalls mehrtägiges, aber richtiges Mountain Bike Rennen in Indien.