Das Leben in der indischen Stadt
Zugegeben, ich lebe aktuell nicht in einer der indischen Metropolen, Delhi, Mumbai oder Bangalore. Diese Erfahrung durfte ich schon während meines Freiwilligenjahres in Delhi machen und obwohl mir das Jahr in Delhi und meine Arbeit mit einer gemeinnützigen Organisation in einem der Elendsviertel viele Erfahrungen und auch Freude gebracht hat und ich viel dabei sowohl über das Land, als auch mich selbst lernen konnte, würde ich wohl nicht noch einmal in einer indischen Stadt leben wollen.
Verkehrschaos, Luftverschmutzung, zu viele Menschen und dabei zu wenig Natur sind nur einige Punkte, die ich an dieser Stelle nennen möchte ohne näher darauf einzugehen.
Denn heute soll es nicht über mein damaliges Leben als Freiwillige in Delhi gehen, sondern um mein jetziges Leben in einem kleinen indischen Bergort weit oben im Himalaya namens Manali.
Hierher bin ich vor sieben Jahren direkt nach meiner Zeit in Delhi gelangt und seitdem geblieben.
Meine Wahlheimat Manali
Das indische Dorfleben unterscheidet sich natürlich sehr von einem Leben in einer indischen Stadt. Das Leben hier ist für die Inder deutlich einfacher, härter und auch langsamer und somit auch meines. Die beiden Tatsachen, dass ich als Ausländerin hier lebe, sowie, dass Manali ein beliebter Touristenort ist, machen mein Leben hier jedoch deutlich angenehmer, als wäre ich anderswo.
Denn als Ausländerin mit einem (zwar kleinen) deutschen Einkommen, kann ich in Indien viele Annehmlichkeiten genießen, worüber ich in Deutschland gar nicht erst nachdenken würde.
Täglich gehe ich essen, oft auch zweimal am Tag, denn ein Frühstück für umgerechnet 1 Euro oder ein Mittagessen für wenig mehr, kann ich mir günstiger kaum selbst zubereiten, zumal ich selbst nicht gern koche und ich das indische Essen liebe.
Meine Miete ist günstig, Kleidung kostet so gut wie nichts und auch eine Taxifahrt leiste ich mir hin und wieder, wenngleich ich die meisten Strecken mit meinem Fahrrad zurücklege- das ist nicht nur wunderbar um von einem Ort zum nächsten zu kommen, sondern hier oben in den Bergen auf über 2000 Meter auch ein sehr guter Sport und Ausgleich zu meiner Arbeit am Schreibtisch.
Aufgrund der touristischen Infrastruktur, wird mir als Ausländerin nicht allzu viel Beachtung von den Indern geschenkt, wie in anderen Teilen des Subkontinents. Ist mir einmal nach einer Pizza oder einem Burger, so ist auch dies in Manali möglich, wobei ich ein deutsches Volkornbrot und guten Käse schon das ein oder andere Mal vermisse.
Ansonsten ist mein Leben sehr einfach und ich mag es so: meine Wäsche wasche ich selbst mit der Hand, wenn Stromausfall ist, gehe ich einfach früher ins Bett und in den kalten Wintermonaten ist mein Zimmer nicht beheizt, sondern ich ziehe einfach mehrere Lagen übereinander und schlafe unter zwei Decken.
Von Indern und Inderinnen
Inder sind sehr soziale Menschen und wenn ich möchte, bin ich nie allein. Ich muss einfach nur aus meiner Haustür fallen und werde dann auch schon von mehr oder weniger engen Bekannten freudestrahlend begrüßt und auf einen obligatorischen Chai (den indischen Milchtee) eingeladen. Hier auf dem Dorf hat man noch Zeit und die Inder lehren mich, auch mal zu entspannen und unproduktiv zu sein, manchmal ist das für mich als Deutsche nämlich gar nicht so einfach.
Hier bin ich von Männern umgeben, wenngleich es in der Region, sogar genauso viele Frauen gibt. Doch während die männlichen Inder ihr Geschäft haben, sich viel auf den Märkten herumtreiben und Englisch sprechen, leben die Frauen doch noch überwiegend als Hausfrau zuhause und kümmern sich um den Haushalt, die Kinder und die Kuh.
Wannimmer ich einheimische Frauen bei der Feldarbeit oder zuhause treffe, ist die Begegnung immer nett, reicht aber nie für mehr als ein paar Floskeln, denn dazu reicht mein Hindi gerade noch aus.
Die Sprache
Ja, leider bin ich, trotz meines mehrjährigen Indienaufenthalts, noch immer nicht wirklich fließend in Hindi. Als Entschuldigung dafür muss mein geringes Sprachtalent und die unglaubliche Sprachvielfalt in Indien herhalten. Aufgrund meiner Tätigkeit als Reiseveranstalterin, bin ich ständig überall in Indien unterwegs und genauso wechselt dabei auch ständig die Sprache. Selbst in Manali ist nicht etwa Hindi die Muttersprache, sondern ein Dialekt, der sich alle 20 Kilometer ändert.
Da Manali zusätzlich noch ziemlich touristisch ist, komme ich mit Englisch ziemlich weit und für kleine Unterhaltungen, Fahrten mit der Rikschah und Einkäufe auf dem Gemüsemarkt reicht mein Hindi allemal.
Die indische Bergwelt
Natürlich habe ich mir Manali als neue Heimat ganz bewusst ausgewählt: ich liebe die Berge und mich in ihnen zu bewegen. Ob Mountainbiking, Klettern, Wandern oder mehrtägige Trekkingtouren, hier kann ich meine Leidenschaften wunderbar ausleben.
Unterwegs bin ich dann entweder mit meinen indischen Jungs, die alle entweder im Outdoor-Tourismusbereich, genauso wie ich, arbeiten oder zumindest meine Begeisterung für die Berge teilen.
Das Leben als Frau
Oft bin ich aber alleine unterwegs und muss mir hier in den Bergen um meine Sicherheit als Frau keine Sorgen machen.
Im Bundesstaat Himachal Pradesh, in dem Manali gelegen ist, erfreuen sich die Menschen an einem bescheidenen Wohlstand, der mit einer guten Schulbildung einhergeht. Frauen befinden sich meiner Meinung immer noch in der benachteiligten Rolle, werden aber geschätzt und geachtet. Hinzu kommt der Einfluss der Touristen selbst. Hier ist man an hellheutige Frauen aus den Westen gewöhnt und stets freundlich mit einem „Namaste“ begrüßt.
Ich mag mein Leben hier sehr, genieße meine Freiheiten und habe auch nichts dagegen, einen überwiegend männlichen Freundeskreis zu besitzen. Schon allein aufgrund meiner Freizeitbeschäftigungen schätze ich den Kontakt mit den indischen Jungs sehr. Zu nah kommen sie mir nie, sondern passen eher auf mich auf. Doch hin und wieder vermisse ich es, eine richtige Freundin zu haben.
Mit einem Mädchen aus einem benachbarten Dorf, treffe ich mich hin und wieder. Ihr Name ist Bhuvi, doch bekannt ist sie entweder aufgrund ihrer Größe als die „ Lange“ oder als „ Bhuvi- Bhai“, was so viel wie „Bruder-Bhuvi“ heißt, da sie sehr markante Gesichtszüge hat und zudem auch im Bergsport sehr aktiv ist.
Mittlerweile ist sie über 32 Jahre und noch immer nicht verheiratet. Als einzige Tochter eines Großgrundbesitzers wäre sie eigentlich eine ganz gute Partie. Doch Bhuvi ist eine starke Frau, die sich nicht einfach verheiraten lässt. Stattdessen lebt sie noch immer bei ihren Eltern und wenn sie gerade einmal nicht als Bergführerin arbeitet oder Skiturniere gewinnt, wohnt sie bei ihren Eltern und hilft ihnen bei den anstehenden Arbeiten auf den Feldern. Manchmal komme ich sie besuchen und helfe ihre dabei Gras für die Kühe zu schneiden, Aprikosen für das selbstgemachte Aprikosenöl zu sammeln oder Äpfel auf ihren Plantagen zu pflücken, die dann nach Delhi geschickt werden. Anschließend trinken wir gemeinsam Tee und dann gehe ich wieder zurück in meine Welt, wo der tägliche Alltag nicht von schwerer körperlicher Arbeit geprägt ist, die Menschen hier sind wahrlich stark.
Festivalzeit in Indien
In den Herbstmonaten werden nicht nur die Touristen deutlich weniger, sondern es ist auch Hochzeits- und Festivalsaison und dann wird viel getanzt, gelacht und gegessen. Ich selbst werde als Gast in die Mitte genommen, in die traditionellen Volkstänze eingeführt und mit Köstlichkeiten gefüttert. Vor allem das Ziegencurry gilt hier als Spezialität.
Ich genieße die Nebensaison. Während ich mich in den Sommermonaten von einem Trek zur nächsten Fahrradtour hangel, nehme ich mir im Oktober die Zeit, wieder neue Kraft zu schöpfen und mich auf die Wintersaison vorzubereiten, die mich häufig weiter in den Süden Indiens schickt.